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Eine Katze hatte es sich auf einer Mülltonne bequem gemacht und gab sich genüsslich ihrer Morgentoilette hin. Sie streckte ihre Pfoten von sich, rückte ihren Körper in eine bequemere Position, spreizte die Krallen und schickte sich an, die Erdklumpen zwischen ihren Zehen mit der Zunge zu entfernen. Teilnahmslos beobachtete sie dabei die Straße vor sich. Ein Auto, es fuhr schnell. Der linke Zeh bedurfte besonderer Aufmerksamkeit, um ihn sauber zu bekommen. Noch ein Auto, aber langsamer als das davor. Sie schob die Zunge besonders fürsorglich zwischen die linken äußeren Zehen und kratzte die Krumen mit der rauen Zunge heraus. Eitelkeit ist eine erstaunliche Eigenschaft, vor allem, wenn die eigene Sauberkeit den gesunden Drang zur Neugierde in den Schatten stellt, andernfalls hätte die Katze dem gigantischen metallenen Fuß wohl mehr Aufmerksamkeit geschenkt, der soeben krachend auf den Straßenbeton trat und dort einen tiefen Krater hinterließ. Etwas juckte an der Stirn. Sie leckte sich über die Pfote und rieb sich damit über die unangenehme Stelle. Das Jucken ließ nach und sie konnte sich wieder ihrer Pfote widmen. Ein Briefträger warf die Post ein und sagte etwas, das die Katze nicht interessierte. „Süße Mieze, machen wir uns sauber?“ Eine Hand näherte sich ihrem Blickfeld und wurde mit blutigen Striemen zurückgezogen. Der Briefträger ging weiter. Immer diese Störungen beim Waschen, dachte sich die Katze genervt. Ein Feuerball schoss quer über die Straße und traf einen der vielen Köpfe einer Hydra. Funken stoben davon und hinterließen einen rauchenden Stumpf dort, wo eben noch der Schlangenkopf gewesen war. Die Katze streckte wieder die Pfote von sich und betrachtete ihre Gründlichkeit. Perfekt, nun ging es an die andere. Sie verlagerte ihr Gewicht und rutschte wieder bequem zusammen. Eine Frau schob ihren Kinderwagen vorbei. Kleine Kinderhände streckten sich aus dem Wagen und riefen: „Katse!“ Die Frau ignorierte das Quengeln und schob weiter. Wieder dieses Jucken, diesmal am Ohr. Die Katze hob ihre Tatze und schabte über die Stelle am Kopf. Ein Zwerg lief schnaufend den Weg entlang, fiel unbedacht in den tiefen Krater im Asphalt und gebrauchte beim Herausklettern mehr Flüche als die Katze je vernommen hatte. Tat das gut, endlich hörte das Jucken auf und sie konnte sich wieder ihrer Pfote widmen. Ein Auto fuhr vorbei, trotzte den Naturgesetzen, indem es über das Loch fuhr, ohne hineinzufallen, und bog mit quietschenden Reifen in die Auffahrt gegenüber. Die Katze richtete sich auf und drehte ihren Kopf nach hinten, um sich dem Rücken zu widmen. Etwas knallte laut. Ein Pfeil steckte zitternd über ihr in der Hauswand. Langsam strich die Katzenzunge über das Fell am Rücken und gab ihm Form. Ein Hupen, jemand rief ärgerlich: „Von der Straße du Idiot!“ Sie drehte den Kopf wieder nach vorne und richtete erschrocken ihr Fell auf. Zwei Wölfe jagten mit hechelnden Zungen einen Gnom über die Straße. Während der Gnom gekonnt um das Loch herum lief, machten die Wölfe zähnefletschend einen Satz drüber hinweg. Sonderbarer Vormittag, dachte sich die Katze. Ein Mann, ganz in schwarz gekleidet, rannte die Straße entlang, lief über eine unsichtbare Brücke quer über den riesigen Fußabdruck und verschwand. Wäre es in ihrer Natur gewesen, hätte die Katze sicherlich den Kopf darüber geschüttelt, aber da Katzen nun mal nicht den Kopf schütteln, um ihren Missmut auszudrücken, gab sie lediglich ihrem Gesicht eine ignorante Miene und steckte die Zunge in ihr Bauchfell, um der Morgentoilette ihren letzten Schliff zu geben. Ein mehrfaches Zischeln war zu hören, begleitet von einer weiblichen Stimme, die verlockend meinte: „Schau mir in die Augen, Kleiner.“ So, noch ein wenig den Kopf waschen. Zwei Kinder liefen kichernd auf dem Bürgersteig entlang und versuchten, sich gegenseitig auf die Straße zu schubsen. Die angelegte Pfote strich mehrmals über die Stirn und widmete den Ohren besondere Aufmerksamkeit. Der Mann von eben rannte in blinkender Rüstung den Weg wieder entlang und wurde von drei Reitern auf löwenähnlichen Geschöpfen mit Stachelschwänzen verfolgt. Gleich bin ich fertig, dachte sich die Katze und versuchte, ihr Fell am Kopf in die richtige Richtung zu streichen. Wäre sie sich ihrer Eitelkeit bewusst gewesen, hätte sie mit Sicherheit einen Spiegel hervorgezaubert, um sich darin zu betrachten. Aber Katzen wissen von Grund auf, dass sie gut aussehen, daher war dies wohl überflüssig. Ein kleiner Spatz fiel aus einem Baum und plumpste auf die Wiese vom Nachbarn. Die Katze schaute auf, hüpfte reflexartig von der Tonne und schlich leise über die Straße. Den Kopf eng am Boden, umging sie das Loch in der Straße und kroch regelrecht auf die Wiese zu. Der Spatz piepste und versuchte mit den Flügeln zu flattern, doch sein rechter ignorierte die Anstrengung und blieb reglos. Der Katze lief das Wasser im Mund zusammen, und hätte sich so was für eine Katze geziemt, hätte sie sich aufgrund der leichten Beute nun über die Lippen geleckt. Sie drückte sich tief ins Gras und machte sich zum Sprung bereit, sprang und krallte sich eine halbe Sekunde später in das Bein eines ausgewachsenen Greifen, der zornig den Kopf nach ihr umdrehte und mit dem Schnabel auf sie zielte. Als dieser nach unten schoss, schnappte er jedoch nur mehr nach der Erinnerung einer Katze, die vor Schreck so schnell davon gestoben war, dass der Greif es nicht mehr mitbekommen hatte. Er zuckte mit den Schultern und stieß sich kraftvoll ab, um davonzufliegen. Die Katze hatte es sich derweil unter einem Busch bequem gemacht und dachte bei sich, was für ein Feigling, nächstes Mal zerfetz ich dich. Ein Rascheln neben sich ließ sie aufschrecken. Eine kleine Maus stand auf den Hinterbeinen und tippte sie mit einem Stock an. „Weißt du, wo ich hier zum Schloss komme?“ fragte sie und rückte sich ihre schwarze Sonnenbrille zurecht. Die Katze unterdrückte den Drang, sich die Augen zu reiben. „Dann halt nicht.“ quiekte die Maus und hüpfte davon. Betroffen kroch die Katze aus dem Busch und vermied es, sich umzudrehen. Sie reckte ihren Schwanz stolz in die Höhe und freute sich schon über das Schälchen Milch, das zu Hause auf sie wartete und sie darüber hinwegsehen ließ, dass heute einfach nicht ihr Tag war.