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Baden Das ist das Badnerland. Es ist ein seltsames, ein hageres, schmächtiges, ja fast schon chileförmiges Gebilde, verlegen hingepappt an den westlichsten Rand des süddeutschen Archipels. Da hängt es nun und kann nicht anders. Und da ist der Badener. Man nennt ihn Badenser. Er zeigt sich nie vor dem Mittagsläuten, ist beachtlich schief gewachsen, stets reizbar und von frappanter Hutlosigkeit. Er neidet jedem seiner Nachbarn die neuen blitzend gelben Gummistiefel, klagt Weh! und Ach!, daß er keine hat, was ihm sogleich einen geharnischten Spitznamen ("Gelbfüßler") einbrachte. Vor Fremden läuft er weg und schwingt aus sicherer Entfernung drohend die Faust. Mit Feuereifer schlägt er Mucken tot. Er haßt die benachbarten Schwaben und Alemannen, weswegen diese ihn mindestens so sehr verachten wie jeder gesunde Mensch Karlsruhe. Hauptort aber der Badenser ist Baden-Baden. Das ist typisch und sagt schon alles: Baden-Baden. Man stelle sich nur vor die Griechen hätten ihre Hauptstadt nicht Athen sondern Griechen-Griechen genannt. Wer führe da noch hin? Hingegen gondelt die halbe Welt und erst recht die ganze Halbwelt nach Baden-Baden, um sich dort von Quacksalbern und eisenbärtigen Urinpropheten das feuchtwarme Wasser reichen zu lassen. Bis die Brunnenkur anschlägt wird dem Badenser die Zeit nicht lang. Er träumt von der Abspaltung von Stuttgart, freut sich der frischgemopsten Gummistiefel und verspeist die mitgebrachte Fliege. Das ist das Badnerland. Oliver Maria Schmitt