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[font=times new roman]Tut mir leid, daß Du es ausgerechnet von mir erfährst, aber Du wirst nie glücklich sein. Ich will Dir damit nicht weh tun, ich will es Dir einfach sagen, weil ich es nur anständig finde, daß ich ehrlich zu Dir bin, ehe wir anfangen. Ich hoffe, Du weißt das zu schätzen, denn von nun an wird keiner mehr anständig oder ehrlich zu Dir sein. Darum hier gleich noch einmal: Du wirst nie glücklich sein. Jetzt hast Du's schriftlich, und gern geschehen, echt. Ich möchte, daß Du an dem sonnigsten, schwülsten Tag des Jahres nach draußen gehst und es gelassen laut ausspricht: "Ich werde nie glücklich sein." Sogar in der Hitze müßtest Du dann die kalte Wolke Deines Atems sehen können, die Deine Aussage bestätigt. Und Deinen Atem wirst Du nur dann nicht sehen können, wenn Du es stolz sagst, wie ein weiser alter Mann. "Ich werde nie glücklich sein!" Probier es irgendwann mal. Wenn ich an Dich denke, dann sehe ich wie in einem Comic eine Wolke über Deinem Kopf schweben, die Dir und nur Dir einen Wolkenbruch beschert. Ich sehe dich naß bis auf die Knochen, mit hängendem Kopf und ganz geknickt, und Du bist dauernd krank, weil Du immer im Regen stehst. Tief bedrückt vom schlechten Wetter weinst Du Dir die Augen aus, doch Deine Tränenbäche verdunsten und werden zur nächsten Wolke, aus der es noch heftiger auf Dich niederregnet. Du kannst nur verlieren! Traurige Aussichten. Du wirst nie das Mädchen kriegen. Du wirst die Welt nicht retten. Du wirst nie die wahre Liebe finden. Und auch keinen vertrauenswürdigen Freund. Du wirst nie zufrieden sein. Du wirst nie genug bekommen. Die Kirschen der andern werden immer größer sein. Und Deine holen die Vögel. Deine Tage werden lang sein und freudlos. Deine Nächte werden einsam sein und kaum mehr. Stets wirst Du auf bessere Zeiten warten, die nie kommen. Und Seelenfrieden kannst Du komplett abschreiben. Es wird Tage geben, da wirst Du auf die Knie fallen und laut schreiend Dein Leid klagen, wem auch immer. Doch Das-Ding-das-wir-Gott-nennen kann und wird nicht helfen. Ich stelle mir den Himmel als funkelnde Kristallstadt vor, und dort, in ihrem höchsten, glitzernden Wolkenkratzer, verhandelt der Bürgermeister, immer viel beschäftigt, hinter einer Tür ohne Klinke. Er ist nie zu sprechen, Anrufe werden nicht durchgestellt. Und dann sehe ich die vielen makellosen blonden Engel ohne Genitalien und ohne Füße vor mir, wie sie sich versammeln und auf uns alle unten zeigen, uns auslachen und kichernd sagen: "Die armen Kleinen!" Sie werden einen Heidenspaß haben. Deine Gebete werden eher wir erhören als sie. Oder auch nicht. [i]Wir[/i] werden dein Schicksal lenken und über dich wachen, nicht die Götter oder Engel. Auch nicht die Toten. Wir. Männer und Frauen. Erwachsene mit verworrenen Beziehungsgeflechten und geheimen Plänen. Ehemalige Kinder. Wir werden dir geben, was Du brauchst, aber versagen, was Du willst. Wir werden dafür sorgen, daß alles, was Du für Dein Glück brauchst, knapp außerhalb Deiner Reichweite bleibt. Solltest Du aus Versehen ein Glücksgefühl verspüren, dann halte es fest, mit aller Macht. Genieße es, so lange Du kannst, denn es bleibt garantiert ein kurzes Vergnügen. Noch einmal, es tut mir leid. Es stimmt, was die Leute sagen - das Leben ist ungerecht, vor allem zu Dir. Und ich kann dir nur einen Trost bieten: Was Du in all dem Leid und der Einsamkeit zustande bringst, wird Deine Verzweiflung und unsere Grausamkeit bei weitem überdauern. Unsere Folter ist vergänglich, Dein Werk währt ewig. So gesehen, werden wir auf lange Sicht alle gewinnen. Und deshalb entschuldige ich mich im Namen aller, denen Du je begegnen wirst, im voraus für allen Kummer, den wir Dir bereiten werden. Dir stehen harte Zeiten bevor, Kleiner. Du bist gewarnt. [right]Nichts für ungut Harlan[/right] [i]- Ein Brief, den ich Vincent schrieb, als er sieben war[/i][/font]