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Wenn starke Frauen sich verlieben Sie ist im besten Sinne emanzipiert. Sie ist autonom und hat eine entwickelte Persönlichkeit. Sie liebt ihren Beruf und arbeitet gerne. Wenn sie eine Familie hat, betrachtet sie sich nicht als "nur Hausfrau", sondern als Familienmanagerin. Sie hat ihr Leben im Griff. ABER Wenn sie sich verliebt, geschehen merkwürdige Dinge ... Die starke Frau hat auf einmal NICHTS mehr im Griff.- Gar nichts mehr. Sie verliebt sich in unmögliche Machotypen. Sie wartet tagelang aus seinen Anruf. Nichts interessiert sie mehr außer IHM. Trotzdem bekämpft sie ihn, als sei er der Teufel persönlich. ODER: Sie beendet die Beziehung aus heiterem Himmel, noch bevor sie richtig begonnen hat. Wie kommt das? Verantwortlich dafür sind zwei ihr unbekannte Persönlichkeiten in ihrem Unterbewußten. Dies ist das SCHWACHE INNERE MÄDCHEN, eine unbewußte Schattengestalt, die all das leben möchte, was die starke Frau sich viel zu wenig erlaubt: schwach sein dürfen, sich anlehnen können, vom Prinzen gerettet werden, in Rosenblättern baden, auf Wolken schweben ... Manchmal kann das schwache innere Mädchen sich aufführen wie eine richtige Tussi! Und diese Gestalt wohnt ebenfalls im Unterbewußten der starken Frau. Es handelt sich um ihr inneres Männerbild, den Animus. Der Animus entsteht im Laufe des Aufwachsens. Er wird geprägt von den ersten Männern, denen die starke Frau als kleines Mädchen begegnet ist. Darum trägt er oft die Züge des Vaters. Und weil die meisten Väter noch wenig von Alice Schwarzer gehört hatten und weil Väter ihren kleinen Töchtern oft mächtig und überlegen erscheinen, trägt das innere Männerbild vieler Frauen die Züge eines MACHO-SUPERMANNES. Dessen Einstellung zu Frauen ist ziemlich patriarchal. Im Unterbewußten der starken Frau finden wir also ein ganz traditionelles Paar: einen überlegenen Mann und ein schwaches Mädchen. Was hat dieses Paar mit dem Verlieben zu tun? Der Animus der starken Frau bestimmt, in wen sie sich verliebt. Derjenige Mann hat magnetische Wirkung auf sie, der am meisten Ähnlichkeit mit ihrem unbewußten Männerbild aufweist. Und das ist leider genau das Gegenteil des Männertyps, der das Alice-Schwarzer-Gütesiegel trägt. Wenn so ein magnetisierender Mann daherkommt, schaltet sich auch das schwache innere Mädchen heftig ins Geschehen ein. ... Alles beginnt damit: Frau trifft Mann. Eigentlich ganz einfach, ODER? Die starke Frau verliebt sich ausgerechnet in einen Macho - so scheint es wenigstens auf den ersten Blick. Wie ist das möglich? Die starke Frau projiziert ihr inneres Männerbild auf einen realen Mann. (Bei Projektionen werden eigene innere Bilder auf ein geeignetes Gegenüber projiziert, genau so wie ein Dia auf eine Leinwand.) In einem gewissem Maße entspricht er ihrem inneren Bild, er hat aber natürlich noch viele andere Eigenschaften, die sie in dieser Situation jedoch gar nicht wahrnehmen kann. Für sie wird er jedenfalls zum Supermann. Die starke Frau kann solche Männer eigentlich überhaupt nicht leiden. Für ihr schwaches inneres Mädchen ist dieser Männertyp aber unwiderstehlich. Daher tritt es nun auf den Plan. Die Wirkung ist frappant, und die starke Frau ist nicht wiederzuerkennen. Plötzlich verspürt sie eine Bereitschaft zu Romantik und Hingabe, Titanic-Liebe und Rosamunde Pilcher, Nestbau und Häuslichkeit, Verletztheit und Tränen ... Nachdem sich die starke Frau in dieser Weise verliebt hat und ihr schwaches inneres Mädchen geweckt worden ist, geschehen merkwürdige Dinge. Die Oberhand im Geschehen hat nämlich nicht mehr der klare Kopf der starken Frau. Unbemerkt hat das traditionelle Paar die Handlungskontrolle übernommen. Jetzt gibt es da vier Möglichkeiten, wie sich die Beziehung zwischen der starken Frau und dem geliebten Mann weiterentwickelt: die OPFERVARIANTE, die FLUCHTVARIANTE, die KAMPFVARIANTE, eine MISCHFORM aus OPFER, FLUCHT und KAMPF. Die OPFERVARIANTE 1. Akt: Die starke Frau verschwindet, das schwache Mädchen ergreift die Handlungskontrolle. Der Mann ist verwundert: Er hatte sich doch extra eine starke Frau als Partnerin rausgesucht. Wo ist sie geblieben? Hat er sich getäuscht? Wurde er hinters Licht geführt? 2. Akt: Wenn es dem schwachen Mädchen für längere Zeit gelingt, die Handlungskontrolle zu übernehmen, geht der Mann. Er macht sich auf die Suche nach einer "wirklich" starken Frau, weil seine ehemals starke Frau klammert, es keine Stunde allein aushält, nur noch für ihn da sein will, ohne ihn nicht leben kann ... Zurück bleibt ein zutiefst verletztes schwaches inneres Mädchen. Es denkt: "Sobald ich einem Mann meine Liebe zeige, werde ich enttäuscht." Die FLUCHTVARIANTE 1. Akt: Die FLUCHTVARIANTE wählt die starke Frau, wenn sie die Opfervariante schon einmal oder mehrfach erlebt hat. Was passiert, wenn anstelle ihres kühlen Kopfes das innere Paar das Sagen hat, weiß sie nur zu gut. Sie hat damit schon viele schlechte Erfahrungen gemacht. Darum steht sie diesen Gefühlen mit Mißtrauen gegenüber. Sie läßt es nicht mehr zu, daß ihr schwaches inneres Mädchen die Handlungskontrolle übernimmt und sie von dem geliebten Mann so schrecklich abhängig macht. 2. Akt: Bevor es zum Schlimmsten kommt, beendet sie den ganzen Liebesschlamassel und ergreift die Flucht. Zurück bleibt ein verletzter Mann, der nicht versteht, warum er Knall auf Fall verlassen wurde. Die starke Frau kann übrigens meist selbst nicht genau erklären, warum sie die FLUCHTVARIANTE wählt. Die Vorgänge spielen sich ja in ihrem Unbewußtem ab; dies ist auch der Grund für ihr irrationales Verhalten. Das macht es für den Mann nicht einfacher. Die KAMPFVARIANTE 1. Akt: Der Ablauf der KAMPFVARIANTE ist ziemlich kompliziert! Es beginnt wie immer: Frau trifft Mann. 2. Akt: Die Pojektion des Macho-Supermannes. Aktivieren des schwachen inneren Mädchens. Kennen wir bereits ... 3. Akt: Im Gegensatz zur Opfervariante behält die starke Frau bei der KAMPFVARIANTE einen klaren Kopf. Dem schwachen inneren Mädchen gelingt es nicht mehr so einfach, die Handlungskontrolle komplett zu übernehmen. Doch mit Mißfallen beobachtet die starke Frau in sich das Auftauchen von Bedürfnissen nach Hingabe, Unterwerfung, Umsorgtwerden ... Diese Gefühle sind das Ergebnis von Aktivitäten ihres schwachen inneren Mädchens, das den Supermann anhimmelt - auf der unbewußten Ebene natürlich. 4. Akt: Die starke Frau kann also gar nicht wissen, daß ihr eigenes schwaches inneres Mädchen diese Themen auf die Tagesordnung setzt. Statt dessen glaubt sie, der Mann habe die Absicht, sie zu bezwingen. 5. Akt: Die Projektion, die die starke Frau auf ihren geliebten Mann macht, ändert sich. Die negativen Seiten ihres inneren Männerbildes werden wirksam. Aus dem Supermann wird der bedrohliche Mann, der Übeltäter, der Überwältiger, der Bezwinger. Der Mann wird verteufelt. 6. Akt: Als Reaktion auf die Bedrohung mobilisiert die starke Frau verständlicherweise alle Facetten ihrer Stärke. Sie wird zur TIGERIN. => Nun haben wir eine neue innerpsychische Situation: Supermann und schwaches inneres Mädchen sind verschwunden. Statt dessen haben wir es mit TEUFEL und TIGERIN zu tun. 7. Akt: Der Mann versteht die Welt nicht mehr. Wer ist dieses tobende Ungeheuer? Und, da gibt es jetzt verschiedene Möglichkeiten, wie die Beziehung sich weiterentwickelt, wobei dies weitgehend vom Temperament des Mannes abhängt. Folgende Versionen stehen dem Mann zur Verfügung: UNTERWERFUNG, FLUCHT, KAMPF. 8. Akt, Version UNTERWERFUNG: Die Tigerin kämpft, und der Mann läßt sich bezwingen. Folge: Der unterworfene Mann langweilt die starke Frau, und irgendwann verläßt sie ihn. Die Beziehung ist beendet. 8. Akt, Version FLUCHT: Der Mann erschrickt vor der Wut der Tigerin und flieht. Folge: Die Beziehung ist beendet, weil der Mann ja nicht mehr da ist. 8. Akt, Version KAMPF: Manche Männer beginnen ebenfalls zu kämpfen. Folge: Laute Streits bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen. Und irgendwann findet auch diese Beziehungsform ihr Ende. Die MISCHFORM Hier wechseln die zuvor aufgeführten Varianten (OPFER-, FLUCHT- und KAMPFVARIANTE) in einer chaotischen Folge. Die starke Frau befindet sich in einem Strudel der Gefühle. Die Liebe von Scarlett O'Hara und Rhett Butler in "Vom Winde verweht" ist ein gutes Beispiel für diese Mischform. Nun, dies sind die wesentlichen Hindernisse, die sich einer dauerhaften Beziehung der starken Frau in den Weg stellen können, wenn ihre inneren Gestalten anders wollen als ihr Kopf. Doch gilt es zu bedenken, dass auch Männer diverse Gestalten in ihrem Unbewußtem haben. So zum Beispiel: den beinharten Kerl und das dünnhäutige Muttersöhnchen oder auch: die Hure und die Mutter. Das macht die Beziehung zwischen Frau und Mann nicht einfacher, denn alle diese Gestalten wollen mitreden. Logisch, da sie Bestandteil der Persönlichkeit sind. Solange wichtige Persönlichkeitsanteile unerkannt im Unbewußtem ihr Wesen treiben, können sie in Liebesbeziehungen als ziemliche Störenfriede auftreten. Was ist zu tun? Leider gibt es da keine schnellen Patentrezepte. Das Zauberwort heißt GEDULD. Und starke Frau, erforsche dein Innenleben! Freunde dich allmählich mit deinen inneren Gestalten an und mit denen, die zu dem Menschen gehören, den du liebst. Dann wirst du im miteinander eine Liebe erfinden, die nur dir und ihm ganz allein gehört. (© M. Storch 2001)