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Qualität kommt von quälen. Mit diesem Gedanken wurde ich schon des öfteren konfrontiert und er fiel mir auch sofort wieder ein, als ich gemütlich auf meiner Decke im Schlossgarten saß und zwei Joggerinnen beobachtete, die mit ihren farblich abgestimmten Sportdress eher wie zwei hoppelnde Häschen aussahen, denn zwei sich quälenden Sportlerinnen.
Qualität kommt von quälen. Bedeutet ich muss mich quälen, wenn ich Qualität haben möchte? Oder anders gefragt: Um qualitativ hochwertig zu sein, muss man sich quälen?
Geht es um den körperlichen Einsatz, dann kann ich dem auch nur bedingt zustimmen.
Als ich aufstand und ins Bad vor den Spiegel trat –den Gedanken noch im Kopf-, zu meiner Zahnbürste griff, fiel mir doch ein, dass ich mich doch auch quälen müsste, um die Qualität meiner Zähne zu steigern. Und es bereitet mir keine Qual, die Zähne zu putzen. Leider entging mir ein ganz grundliegendes Detail: Der Verfall. Ich putze meine Zähne nicht, um deren Qualität zu steigern, sondern um deren Qualität zu erhalten. Somit konnte ich die These weder bestätigen noch dementieren. Vielleicht bedarf es eines anderen Vergleiches.
Bei der näheren Betrachtung meines Körpers fiel mir auf, dass ich mich doch eventuell mehr quälen könnte. Sport ist unangenehm. Das hatte ich im Laufe meines Lebens einsehen müssen. Nicht dass ich es nicht schon wusste, aber man gesteht sich so selten ein, dass man einfach faul ist und die Körpermitte spricht Bände.
Also steigere ich meine Qualität indem ich Sport treibe. Interessant. Aber gibt es nicht auch Frauen, die etwas beleibtere Männer mögen und Qualität somit anders definieren? Vielleicht ist Qualität relativ oder man hat eine besondere Begabung, dass einem auch Qualität ohne Qualen von der Hand geht. Ich spuckte die flüssig gewordene Zahnpasta ins Waschbecken und spühlte meinen Mund aus.
Nun waren meine Gedanken schon bei meinem Körper. Andere Menschen können ihr Genital oder ihre Zehen nicht mehr sehen. Ich weiß wenigstens noch, dass ich ein Mann bin und Schuhgröße 42 besitze. Ein Faktum, denn ich habe es ständig vor Augen.
Mit dem Rasierschaum in der einen und dem Einwegrasierer in der anderen Hand machte ich mich daran, mein Gesicht zu rasieren.
Qualität kommt von quälen. Ja immernoch. Ich werde den Gedanken nicht los.
Den Floh hatte mir einst mein Deutschlehrer in den Kopf gesetzt. Aber das hatte mehr etwas mit minderer Qualität meiner Hausarbeiten oder der Klausuren zu tun. Aber kann man es auch auf Sex beziehen?
Eine gewisse Qualität schreibt sich doch jeder zu, aber gequält fühle ich mich nicht, während oder nachdem ich diesen Akt vollziehe. Verdammt! Ich stand vor einem Dilemma.
Entweder war das Beispiel schlecht gewählt oder ich musste mir eingestehen, dass meine Qualitäten so erschreckend gering waren, da ich keine Qualen verspührte. Es bestand immernoch die Möglichkeit, dass mein Deutschlehrer sich geirrt hat oder auch die Ethymologie schon längst überholt war.
Vielleicht ist es ein Privileg der guten, sich quälenden, Männer, sich nach dem Akt zur Seite zu drehen und einzuschlafen. Womöglich können sie es sogar, denn wenn sie wirklich gut waren, dann meckern die Frauen doch auch nicht.
Und wenn, dann müsste die Frau doch auch gequält sein, wenn sie gut war. Ja. Das ist es.
Qualität kommt von quälen. Vielleicht hatte ich noch nie qualvollen Sex. Sado-Maso. Das hat bestimmt Qualität.
Da kommen viele Qualen drin vor. Wenn man sich Tätowieren oder Piercen lässt, dann quält man sich auch um seine Qualität zu steigern. Vielleicht wollen andere Menschen auch einfach nur sehen, wie sich jemand quält um sagen zu können: „Der hält was aus, der hat meinen Respekt!“
Vielleicht ergötzen sich Menschen auch gerne an den Qualen anderer und bestimmen somit deren Qualität.
Eigentlich dumm, denn man leidet ja selbst und kann seine Qualen doch selbst am besten bestimmen.
Geistesabwesend schnitt ich mich beim Rasieren am Kinn. Der Schnitt fing sofort an zu bluten.
Qualität kommt von quälen, dachte ich und sprach meinem Gesicht heute Qualität zu.
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