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"Mein Vater hat mich in ein hohes Haus gebracht, auch ein Garten ist oben, er läßt mich darin Blumen und kleine Bäume pflanzen, zum Zeitvertreib, er macht Witze über die vielen Christbäume, die ich aufziehe, sie sind aus den Weihnachten meiner Kinderzeit, aber solange er Witze macht, geht es gut, es gibt Silberkugeln und es blüht violett und gelb, es sind nur nicht die richtigen Blumen. Auch in viele Keramiktöpfe pflanze ich, säe ich, immer kommen Blumen mit verkehrten ungewünschten Farben heraus, ich bin nicht zufrieden, und mein Vater sagt: Du hältst dich wohl für eine Prinzessin, was! Für wen hältst du dich eigentlich, für etwas Besseres, was! Das wird dir noch vergehen, das wird dir ausgetrieben, und das und das - er zeigt auf meine Pflanzen - das wird auch bald ein Ende haben, was ist das für ein schwindelhafter Zeitvertreib, dieses Grünzeug! Ich halte den Gartenschlauch in der Hand, ich könnte ihm den vollen Wasserstrahl ins Gesicht fahren lassen, damit er aufhört, mich zu beleidigen, denn er hat mir den Garten zugeteilt, aber ich lasse den Schlauch fallen, ich schlage mir die Hände vors Gesicht, er soll mir doch sagen, was ich tun soll, das Wasser läuft auf dem Boden, und ich mag die Pflanzen nicht mehr gießen, ich drehe den Hahn ab und gehe ins Haus. Die Gäste meines Vaters sind gekommen, ich muß mich abmühen, die vielen Teller und die Tabletts mit den Gläsern hin und her tragen, dann dasitzen, zuhören, ich weiß nicht einmal, worüber sie reden, ich soll auch antworten, aber wenn ich nach einer Antwort suche, werde ich scharf angesehen, ich stottere, es ist nichts mehr richtig. Mein Vater lächelt und ist charmant mit allen, mir schlägt er auf die Schulter, er sagt: Die will Ihnen vorspielen, daß sie bei mir nur im Garten arbeiten darf, sehen Sie sich einmal diese schwerarbeitende Gärtnerin an, zeig deine Hände, mein Kind, zeig deine weißen schönen Pfötchen! Alle lachen, ich lache auch mühsam, mein Vater lacht am lautesten, er trinkt sehr viel und noch viel mehr, nachdem die Leute gegangen sind. Ich muß ihm noch einmal meine Hände zeigen, er dreht sie um, verdreht sie mir und ich springe auf, ich komme noch los von ihm, weil er betrunken schwankt beim Aufstehen, ich laufe hinaus und will die Tür zuwerfen, mich verstecken im Garten, aber mein Vater kommt mir nach, und schrecklich sind seine Augen, sein Gesicht ist rotbraun angelaufen vor Wut, er treibt mich an ein Geländer, es wird doch hier nicht wieder das Haus hoch oben sein, er zerrt an mir, wir ringen miteinander, er will mich über das Geländer werfen, wir kommen beide ins Rutschen, und ich werfe mich auf die andere Seite, ich muß bis zur Mauer kommen oder auf das Dach daneben springen oder doch zurück ins Haus gelangen, ich fange an, den Verstand zu verlieren, ich weiß niocht, wie ich entkommen kann, und mein Vater, der vielleicht auch Angst votr dem Geänder hat, will nicht mehr mit mir zum Geländer, er hebt einen Blumentopf auf, er schleudert ihn gegen mich, der Topf zerbricht an der Wand hinter mir, mein Vater nimmt noch einen, es platscht mir die Erde ins Gesicht, es kracht und splittert, ich habe die Augen voller Erde, so kann mein Vater nicht sein, so darf mein Vater nicht sein! Es läutet an der Haustüre, zu meinem Glück, jemand ist also alarmiert, es läutet schon wieder, oder einer von den Gästen ist zurückgekommen. Es kommt jemand, flüstere ich, hör auf! Mein Vater sagt höhnisch: Da kommt jemand für dich, jawohl, für dich natürlich, aber du bleibst, hörst du! Weil es immer noch läutet, weil es die Rettung sein muß, weil ich mit meinem erdverschmierten Gesicht nichts sehe und versuche, die Tür zu finden, fängt mein Vater an, was ihm an Blumentöpfen unterkommt über das Geländer zu werfen, damit die Leute weggehen, anstatt mich zu retten. Trotzdem muß ich entkommen sein, denn ich stehe plötzlich am Tor auf der Straße, mit Malina vor mir in der Dunkelheit, ich wispere, er versteht noch nicht, ich hauche, komm nicht jetzt, nicht heute, und Malina, den ich noch nie bleich und fassungslos gesehen habe, fragt fassungslos, was ist denn, ist etwas`? Bitte geh, ich muß ihn beruhigen, flüstere ich. Ich höre die Polizeisirene, die Polizisten springen schon aus einem Streifenwagen, ich sage in höchster Angst, hilf mir jetzt, wir müssen die loswerden, wir müssen. Malina spricht mit den Polizisten und erklärt, es gebe hier ein Fest und Übermut, Übermut und sehr viel gute Laune. Mich hat er ins Dunkel geschoben. Die Polizei fährt wirklich wieder weg, Malina kommt zurück, er sagt eindringlich, ich habe verstanden, das kommt von ihm da oben geflogen, er hat mich nur um ein Haar verfehlt, du kommst jetzt mit mir, oder wir sehen einandfer nie wieder, das muß ein Ende haben. Aber ich flüstere, ich kann nicht mitkommen, laß es mich nur noch einmal versuchen, ich will ihn beruhigen, er hat es getan, weil du geläutet hast, ich muß sofort zurück. Bitte nicht mehr läuten! Versteh doch, wir sehen einander wieder, sagt Malina, aber nicht, eh das ein Ende hat, denn er hat mich töten wollen. Ich widerspreche leise, nein, nein, er hat nur mich, ich fange zu weinen an, denn Malina ist gegangen, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll, ich muß die SPuren verwischen, ich sammle die Scherben auf der Straße ein, schiebe mit den Händen die Blumen und die Erde zum Rinnstein, ich habe heute Nacht Malina verloren und Malina hätte aufs Haar heute nacht sterben müssen, wir beide, Malina und ich, aber es ist stärker als ich und meine Liebe zu Malina, ich werde weiter leugnen, im Haus brennt Licht, mein Vater ist auf dem Boden eingeschlafen, inmitten der Verwüstung, alles ist zerstört, verwüstet, ich lege mich neben meinen Vater, in die Verwüstung, denn hier ist mein Platz, neben ihnm, der schlaff und traurig und alt schläft. Und obwohl es mich anwidert, ihn anzusehen, muß ich es tun, wissen muß ich, welche Gefahr noch in sein Gesicht geschrieben ist, wissen muß ich, woher das Böse kommt und ich erschrecke, aber anders als sonst, denn das Böse ist in einem Gesicht, das ich nicht kenne, ich krieche auf einen fremden Mann zu, dem die Erde an den Händen klebt. Wie bin ich hierhergeraten, wie in seine Macht, in wessen Macht? Mir kommt in meiner Erschöpfung ein Verdacht, aber der Verdacht ist zu groß, ich schlage den Verdacht sofort nieder, es darf nicht ein fremder Mann sein, es darf nicht vergeblich und nie ein Betrug gewesen sein. Es darf nicht wahr sein.
ingeborg bachmann / malina
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