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[center][font=courier new][size=6] Margareth Obexer "Die Liebenden"[/size] [size=4]Seiten 31 - 32[/size] [size=4]Wer liebt, hat niemals unrecht.[/size] [size=3][left] Eine junge Frau ist verliebt. Fieberhaft überlässt sie sich diesem Abenteuer und kennt bald nur mehr den einen Gedanken: die Frau wiederzusehen, die sie in einem Szenelokal mit einem ersten Kuss verzaubert hat. Sie sieht das Glück auf ihrer Seite, und die Gewissheit ebenso, den geliebten Menschen und überhaupt die ganze Welt mit ihrer Liebe zu beglücken. Und: wer liebt, hat niemals Unrecht. Für die andere Frau ist das nichts Neues mehr. Nicht zum ersten Mal legen ihr Verliebte die Welt zu Füßen und betrachten sich selbst als Geschenk. Im glühenden Optimismus der Kleinen erkennt sie nur das lächerliche Unvermögen, die Spielregeln zu beherrschen, den der Umgang mit Erotik verlangt. Dieses Unwissen lässt sie die Kleine spüren, wo sie nur kann, sie quält sie, peinigt sie und gestattet ihr keinen Trost. Doch so leicht ist diese nicht abzubringen von ihrer Liebe. Schließlich kann sie immer noch alleine weiterlieben. Zwei Machtzentren prallen aufeinander: die Kraft der Liebenden trifft auf die Macht derjenigen, die ihre Liebe unerwidert lässt. Und auch die Ohnmacht zeigt sich auf beiden Seiten. Auf der Seite der Liebenden und auf der Seite derjenigen, die einmal mehr ernüchtert feststellen muss: "Allein muss ich schweigen zu dem Satz, den sie noch sagen kann: ‚Ich liebe dich’." Die Liebenden sprechen in verschiedenen Sprachräumen übereinander - selten miteinander. Die eine spricht monologisch und erinnernd über eine Geschichte, die schon vergangen ist. Für die Verliebte dagegen ist alles noch nah und nichts vergangen. Hoffnungen stellen sich immer wieder neu ein, während sie auf Anrufbeantwortern spricht oder ihre Stimme im Kosmos, zwischen Mond und Sternen, verhallt. [size=5]TEXTAUSZUG[/size] [b]2. Stimme:[/b] Als die Musik aus war schickte ich sie nach Hause. „Du bist zu schade für eine schnelle Nacht“, sagte ich ihr. Ich wußte, es wäre ungünstig für sie ausgegangen. Mit mir allein hätte sie dem nicht gerecht werden können, was sie im Lokal von sich hielt. Der ganze Heldenmut wäre in den Abfluß geronnen. Wir umarmten uns und standen eine Weile unter freiem Himmel. Hörten den Vögeln zu und genossen den feuchten Atem der Erde, wenn es Frühling wird. Ich liebe den Zeitpunkt, wo die Nacht in den Tag übergeht. Dieses dunkel tiefe Blau. Vereinzelte Sterne. Sie kannte die Namen der Sterne. Sie wußte Bescheid. Konnte die unruhig flimmernden Planeten am Rande der Erde von den richtigen Sternen unterscheiden. [right] [b]1. Stimme:[/b] Die richtigen Sterne strahlen von alleine. Sie gewinnen ihr Licht aus der eigenen Elektrizität. Sie strahlen so lange, bis die Substanz verglüht, bis der Staub nicht mehr geladen ist. Die anderen werden bestrahlt. Deshalb ist ihr Licht unbeständig und wechselhaft. [/right] [b]2. Stimme:[/b] Und sie zeigte mir ihre zwei ganz persönlichen Sterne. Kaum wahrnehmbar konnte man zwei nebeneinanderliegende Sterne sehen, die rot und blau flimmerten. Ich sagte, ich weiß nicht, warum ich das sagen mußte, ich sagte: „Laß die Sterne dort oben, hier unten sind es nur verglühte Steine.“ Und irgendwie, nachdem ich das aussprach, fühlte ich mich selbst wie ein erloschener Komet. (Lacht kurz auf) Ich ging in ein Café, bestellte mir ein Frühstück und ließ die Nacht, die Blicke an mir vorüberziehn, und schaute den seifigen Frühaufstehern zu, wie sie sich zur Arbeit steuern ließen. [size=5]6. Szene:[/size] [b]2. Stimme:[/b] Wir verzichteten auf das lauwarme Ritual des Kennenlernens. Man teilt sich das Sternzeichen mit und stellt eifrig fest, wie gut man zueinander paßt. Entweder sind es die Gegensätze, die sich anziehen, oder die Ähnlichkeiten, die sich immer schon suchten. Endlich ist der richtige Mensch gefunden, der so richtig ist, daß es schon nichts mehr zu besprechen gibt, alles ist richtig und alles ist gut, und alles schweigt vor dieser phänomenalen Richtigkeit und Stimmigkeit. Gelangweilt schweigen, sich in die Augen grinsen, von vorübergehenden sich beglückwünschen lassen und sich gegenseitig verheißen, was für einen Spaß man miteinander haben wird. Wir verzichteten darauf. (Lacht auf) Sie, mit ganzem Ernst, mit ganzem Ernst fragte sie mich offen ins Gesicht: [right] [b]1. Stimme:[/b] Was hältst Du vom Leben!? [/right] [b]2. Stimme:[/b] Was hältst Du vom Leben?! (Lacht laut und länger aus) Und sagte, als sie zum ersten Mal meine Hand berührte: [right] [b]1. Stimme:[/b] To be or not to be. [/right] [b]2. Stimme:[/b] (Pathetisch) To be or not to be!, als sie meine Hand zum ersten Mal berührte. (Lacht, Pause) (Ernst) Sie sagte so manches, von dem sie noch nichts verstand. Sie sagte es wie selbst gewußt, mit eigenen Wörtern, oder jedenfalls selbst zusammengestellt. Es war wie ein Wissen, das die merkwürdige Eigenschaft besitzt, daß es sich denen zeigt, die noch nichts davon verstehen, und sich vor denen verkriecht, die es eigentlich wissen müßten. Sie konnten nicht wissen, wie wahr sie manchmal sprach, was sie einfach sagte. Ich geizte nicht mit meinem Erstaunen. Sie sollte wissen, daß ich uns nicht zum Mainstream zählte. Manchmal tauchten später lose Sätze von ihr auf und begannen, sich in meinem Kopf zu beschäftigen. Es war etwas Widerwärtiges daran. Ich ließ mich hinreißen und begann, ihr von Jacqueline zu erzählen. Wäre sie wirklich klug gewesen: sie hätte geschwiegen. Doch sie mußte ihre Altklugheit zum Besten geben. Irgendwann fiel der Satz von ihr: [right] [b]1. Stimme:[/b] „Die Liebe macht aus allen Opfer und Täter.“ [/right] [b]2. Stimme:[/b] Das hat gereicht. Ich stand auf und ging ins Bett. Ich ging ins Bett und war noch bereit, bereit für die Versöhnung. Doch sie: sie kam nicht nach. Und ich! Ich lag im Bett und wartete. Das war viel, das war in keinem auch nur denkbaren Verhältnis zu ihrem Status. Ich stand auf. Zog mich an. Schwarzes Dessous, dunkelroter Morgenmantel, lang, fallend. Zum Glück kann man sich immer noch auf Gefühle verlassen. Da saß sie, in ihrer lächerlichen Unbestechlichkeit und starrte zu den Sternen. Naßfroscher Edelmut, der nur durch mich zum Stehen kam. Ich war selten ergreifender. Selten inniger. Selten tiefer. Nie wieder gab ich mich so hin. Es war die Inbrunst, wie sie pro Geschichte nur einmal vorkommt. Ich umschloß sie, drückte zu, immer fester drückte ich zu. Ich hatte Lust, sie zu erdrücken. Danach schaute sie mir wässrig seelig in die Augen. [/font]