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Der Rabe Eines Nachts aus gelben Blättern mit verblichnen Runenlettern Tote Mären suchend, sammelnd von des Zeitenmeers Gestaden Müde in die Zeilen blickend und zuletzt im Schlafe nickend Hört' ich plötzlich leise klopfen, leise doch vernehmlich klopfen Und fuhr auf - erschrocken stammelnd: "Einer von den Kameraden", "Einer von den Kameraden" In dem letzten Mond des Jahres, um die zwölfte Stunde war es, Und ein wunderlich Rumoren klang mir fort und fort im Ohre Sehnlichst harrte ich des Tages, jedes neuen Glockenschlages; In das Buch vor mir versenken, wollt ich all mein Schmerzgedenken, Meine Träum' von Leonoren, meinen Gram um Leonore, Um die tote Leonore Seltsame, phantastisch wilde, unerklärliche Gebilde, Schwarz und dicht gleich undurchsicht'gen nächtig dunklen Nebelschwaden huschten aus den Zimmerecken, füllten mich mit tausend Schrecken So daß ich nun bleich und schlotternd, immer wieder angstvoll stotternd Murmelte, mich zu beschwichtigen: "Einer von den Kameraden", "Einer von den Kameraden" Alsbald aber mich ermannend, fragt' ich - jede Scheu verbannend - Wen der Weg noch zu mir führe: "Mit wem habe ich die Ehre?" Hub ich an, weltmännisch höflich: "Sie verzeihen, ich bin sträflich, Daß ich Sie nicht gleich vernommen; seien Sie mir hochwillkommen!" Und ich öffnete die Türe - nichts als schaudervolle Leere Schwarze, schaudervolle Leere. Lang in dieses Dunkel starrend, stand ich fürchtend, stand ich harrend, Fürchtend, harrend, zweifelnd, staunend, meine Seele ganz im Ohre - Doch die Nacht blieb ungelichtet, tiefes Schwarz auf Schwarz geschichtet, Und das Schweigen ungebrochen, und nichts weiter ward gesprochen, Als das eine, flüsternd, raunend, das gehauchte Wort: "Leonore" Das ich flüsterte "Leonore!" In mein Zimmer wiederkehrend und zum Sessel flüchtend, während Schatten meinen Blick umflorten, hörte ich von neuem klopfen, Diesmal aber etwas lauter, gleichsam kecker und vertrauter. An dem Laden ist es, sagt' ich, und mich erheben wagt' ich, Sprach mir Mut zu mit den Worten: "Sicher sind es Regentropfen" "Weiter nichts als Regentropfen". Und ich öffnete: Bedächtig schritt ein Rabe groß und nächtig, Mit verwildertem Gefieder ins Gemach und gravitätisch Mit dem ernsten Kopfe nickend, flüchtig durch das Zimmer blickend, Flog er auf das Türgerüste, und auf einer Pallasbüste Ließ er sich gemächlich nieder, saß dort stolz und majestätisch, Selbstbewusst und majestätisch. Ob des herrischen Verfahrens und des würdigen Gebarens Dieses wunderlichen Gastes schier belustigt sprach ich: "Grimmer Unglücksbote des Gestades aus dem Flußgebiet des Hades Du bist sicher hochgeboren, kommst du gradwegs von den Toren Des plutonischen Palastes? Sag, wie nennt man dich Dort -"Nimmer!" Hört ich da vernehmlich: "Nimmer!" Ob Wahrlich, ich muß eingestehen, daß mich eigene Ideen Bei dem dunklen Wort durchschwirrten, ja daß mir Gedanken kamen, Zweifel vom bizarrsten Schlage; und es ist auch keine Frage, Daß dies seltsame Begebnis ein vereinzeltes Erlebnis: Einen Raben zu bewirten mit solch ominösem Namen, Solch ominösem Namen. Doch mein düsterer Gefährte sprach nichts weiter und gewährte Mir kein Zeichen der Beachtung. Lautlos, stille ward's im Zimmer Bis ich traumhaft, abgebrochen (halb gedacht und halb gesprochen) Raunte: "Andre Freunde gingen, morgen hebt auch er die Schwingen, Läßt dich wieder in Umnachtung." Da vernahm ich deutlich: "Nimmer." Stutzig über die Repliken, maß ich ihn mit scheuen Blicken, Sprechend: Dies ist zweifelsohne sein gesamter Schatz an Worten Einem Herren abgefangen, dem das Unglück nachgegangen, Nachgegangen, nachgelaufen, bis er auf den Trümmerhaufen Seines Glücks dies monotone "Nimmer" seufzte allerorten, Jederzeit und allerorten. Doch der Rabe lieb possierlich würdevoll, und unwillkürlich Mußt' ich lächeln ob des Wichtes: Alsdann mitten in das Zimmer Einen samtnen Sessel rückend und mich in die Polster drückend, Sann ich angesichts des grimmen, dürren, ominösen, schlimmen Künders göttlichen Gerichtes, über dieses dunkle "Nimmer", Dieses rätselhafte "Nimmer." Dies und anderes erwog ich, in die Träumeslande flog ich, Losgelöst von jeder Fessel. Von der Lampe fiel ein Schimmer Auf die violetten Stühle, und auf meinem samtnen Pfühle Lag ich lange, traumverloren, schwang ich mich auf zu Leonoren, Die in diesen samtnen Sesel nimmermehr sich lehnet, nimmer, Nimmer, nimmer, nimmer. Plötzlich ward es in mir lichter und die Luft im Zimmer dichter, Als ob Weihrauch sie durchwehte. Und an diesem Hoffnungsschimmer Mich erwärmend, rief ich: "Manna, Manna, schick du Gott, Hosianna; Lob ihm, der die Gnade spendet, der dir seine Engel sendet! Trink, o trink aus dieser Lehte und vergiß Leonore! - "NIMMER!" Krächzte da der Rabe. "Nimmer!" "Nachtprophet, erzeugt vom Zweifel, seist du Vogel oder Teufel - Triumphierend ob der Sünder Zähneklappern und Gewimmer Hier, aus dieser dürren Wüste, dieser Stätte geiler Lüste, Hoffnungslos, doch ungebrochen, und noch rein und unbestochen, Frag' ich dich, du Schicksalskünder: Ist in Gilead Balsam?" - "Nimmer!" Krächzte da der Rabe. "Nimmer!" "Nachtprophet, erzeugt vom Zweifel, seist du Vogel oder Teufel - Bei dem göttlichen Erbarmen, lösch nicht diesen letzten Schimmer! Sag' mir, find ich nach dem trüben Erdenwallen einst dort drüben Sie, die von dem Engelschore wird geheißen Leonore? Werd' ich sie dort einst umarmen, meine Leonore?" - "Nimmer", Krächzte da der Rabe. "Nimmer!" Und auf meinem Türgerüste, auf der bleichen Pallasbüste, Unverdrossen, ohn' Ermatten, sitzt mein dunkler Gast noch immer. Sein Dämonenauge funkelt und sein Schattenriß verdunkelt Das Gemach, schwillt immer mächt'ger und wird immer grabesnächt'ger - Und aus diesen schweren Schatten hebt sich meine Seele nimmer, Nimmer, nimmer, nimmer, nimmer - .

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