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[b][url]www.sueddeutsche.de[/url] hat zum 50jährigen Bestehen des Grundwehrdienstes der deutschen Bundeswehr Erfahrungsberichte gesammelt. Jeder einzelne ist lesenswert. Hier meine beiden Lieblinge:[/b]
"[b][i]Chefredakteur Helmut Martin-Jung[/b] flüchtete sich während seines Wehrdienstes von Juli 1980 – September 1981 in die Subversion.[/i]
Und ich Trottel hatte daran geglaubt: Staatsbürger in Uniform, Demokratie und Verfassung verteidigen. Hatte nicht verweigert. Hatte mir das alles sehr viel anders vorgestellt, als es dann über mich hereinbrach.
Wer nicht innerlich gefestigt war, den mochte die Mischung aus stumpfem Drill, ereignislosem Warten und sinnlosem Herumgehetze eher zum Trinker machen als ihn davon abzuhalten. Von wegen Schule der Nation.
Eine Stunde vor Dienstende nichts mehr zu tun? Wird eben das blitzsaubere Gewehr nochmal gereinigt. Und wehe man liest stattdessen ein Buch! Offener Widerstand? Zwecklos. Blieb: Subversion. Da des Gitarrespielens kundig, werde ich eingeteilt, um ein Marschlied einzustudieren. Draußen auf dem Exerzierplatz singe ich immer genau einen halben Ton neben der Melodie. Bei aller Bescheidenheit: das muss man erst mal können. Aber nur so klingt’s richtig falsch.
Am Ende: Triumph, Sieg, Victoria. Wir brauchen kein Marschlied mehr zu singen! Wenigstens das. "
[b]Nummer zwei:[/b]
"[i][b]Markus Jasker, (39), [/b]aus Hamburg, leistete von Oktober 1985 bis März 1987 Wehrdienst. Ende 86 hatte er im Dienst eine Begegnung der unheimlichen Art...[/i]
Ich war Mitte der 80er Jahre Flugabfertigungs-Soldat bei den Heeresfliegern, stationiert auf einem Flugplatz in Norddeutschland. Dieser Platz ist inzwischen geschlossen.
Damals allerdings waren wir ein kleines, stolzes Regiment und der Flugplatz war, wie zu der Zeit üblich, auf keiner Landkarte zu finden, obwohl natürlich jeder, inklusive der Armeeen des Warschauer Paktes wusste, wo der Platz lag.
So erzogen durch eindringliche Einweisungen des S1 (Sicherheitsoffizier), hatte auch ich einmal Wachdienst. Am einem Sonntagmorgen hielt ein PKW vor dem Tor und machte mit Hupen auf sich aufmerksam. Ich verließ die Wachstube, schulterte vorschriftsgemäß mein G3, öffnete das Tor und winkte den Fahrer nach vorne. Während der Wagen vorwärts fuhr, konnte ich insgesamt vier Personen in dem PKW ausmachen, alle etwa 60 Jahre alt.
Ich beugte mich herunter und bedeutete dem Fahrer, die Scheibe herunter zu kurbeln. Er tat dies umgehend und grüßte mich mit einem netten "Guten Morgen!". Mir fiel schon bei diesen zwei Worten ein starker Akzent auf, den ich aber nicht gleich einzuordnen wusste.
Wie in solchen Situationen üblich, verlangte ich nun von allen Insassen die Papiere und fragte nach dem Grund für den Besuch der Kaserne. Auch hier reagierten alle im Auto fast überschäumend fröhlich, redeten wild durcheinander und ich verstand nur Brocken wie "…fliegen…", "Der Günther…" und "…Hubschrauber…".
Alle vier Insassen hielten mir alle ihre Pässe entgegen. Es dauerte ein paar Sekunden bis ich begriff, was die blauen Pässen darstellten. Ich schaute bestimmte etwas komisch aus der Wäsche, als ich das "Hammer und Sichel" Symbol und darunter die Aufschrift "Reisepass der Deutschen Demokratischen Republik" las.
Nun war ich erst ein mal total verunsichert. Bürger der DDR in eine Bundeswehr-Kasere reinlassen, wo doch alles so geheim war? Das ging ja nun garnicht.
Auf meine Bitte, mir zu erklären, wie sie sich das denn dächten mit dem Besuch einer bundesrepublikanischen Kaserne, erhielt ich zur Antwort, das Sie von einem Oberstleutnant Soundso, zu einem Rundflug mit seinem Privatflugzeug eingeladen worden seien. Das wäre nämlich der Neffe der Beifahrerin und des Fahrers.
Einen Moment lang, war ich wirklich sprachlos. Dazu sei kurz gesagt, das auf dem Flugplatz auch viele kleine Privatmaschien vom Typ Cessna und so standen. Viele Piloten und auch andere Soldaten des Regiments waren Mitglied in einem privaten Flugverein.
Dann fragte ich noch, ob sie denn nun etwa auch Fotoapparate oder Filmkameras dabei hätten. Denn das Filmen und Fotografieren in Kasernen und - vor allem - das Anfertigen von Luftbildern über einer Kaserne waren damals wie heute absolut verboten. Meine Frage wurde umgehend bejaht und alle hielten mir lachend ihre Kameras entgegen.
Das wurde mir nun wirklich zu bunt. Ich liess den PKW rechts ranfahren und bat um ein paar Augenblicke Geduld. Ganz Soldat wollte ich für den Einlass von Bürger eines, damals nicht gerade als "befreundet" geltenden, Staates auf gar keinen Fall die Verantwortung übernehmen. Ich ließ einen verschlafenen Kameraden das Auto "bewachen" und rief dann aus der Wachstube den OvW (Offizier vom Wachdienst) an.
Nachdem ich ihm kurz die Situation geschildert hatte, bekam ich den lapidaren Befehl, diese Leute jetzt mal "zackich" weiter fahren zu lassen und ihr Kamers dürften Sie sehr wohl mitnehmen, das müsste mir doch klar sein, wo das doch angekündigte Verwandte von Oberstleutnant Soundso seien. Außerdem möge ich Ihnen einen Sodaten mit PKW als Führer mitgeben, der Ihnen den Weg zum richtigen Teil des Flugfeldes zeigte.
Ein Flugfeld übrigens, das noch einmal extra eingezäunt und bewacht war, weil das ja alles so geheim war, damals, in den 80ern. Nach diesem Erlebnis kam mir die Geheimhaltung bei der Bundeswehr so lächerlich vor, dass ich fürderhin ein sehr entspannter Wachsoldat war - natürlich im vorgeschriebenen Rahmen.
Der Flugplatz ist bis heute nicht auf Karten zu finden. Aber alle Informationen über das Regiment und den Platz gibt es im Internet. Ganz geheim."
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