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[color=#777777]Es ist eine Tatsache, die wohl gelegentlich beobachtet worden ist, aber soviel mir bekannt ist, noch gar nicht so schwer wahrgenommen wurde, wie sie für die ästhetische Theorie genommen werden müßte, daß etwa solche Bereiche der Natur, an denen für uns wesentlich heute überhaupt die Erfahrung des Naturschönen haftet, wie das Hochgebirge und das Meer, eigentlich erst späten geschichtlichen Erfahrungen sich verdanken. Das heißt also, daß die Schönheit der Natur als etwas Ungebändigtem, als eines Unendlichen, erst entstanden ist in einer Welt, in der das gesellschaftliche Gespinst sich so weit erstreckt, daß man den Kontrast dazu, das, was noch nicht vollkommen erfasst, was noch nicht vollkommen beherrscht und domestiziert ist, überhaupt zum ersten Mal in seiner Schönheit richtig wahrgenommen hat, während gleichzeitig erst die Entdeckung überhaupt des Prinzips der Subjektivität als eines in sich Unendlichen dann dazu geführt hat, jenes Unendliche als ein Wahverwandtes auch in der Natur zu spüren, während es zuvor lediglich als Beängstigendes und Schwerliches wahrgenommen worden ist. Die Kantische Ästhetik des Erhabenen, auf die ich zu sprechen kommen werde, steht darin gewissermaßen auf der Schwelle, das heißt, in ihr ist noch jene Angst und jenes Grauen vor der pathetischen Natur fühlbar, aber gleichzeitig schon assoziiert jenem Gefühl eben des Erhabenen, das den Grund abgibt für die Erfahrung der Schönheit dieser Momente. [color=#66141E](Adorno: Vorlesungen Ästhetik)