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[center] [size=5]Arp, Hans[/size] 1887-1966 [size=4]Opus Null[/size] [size=3] 1 Ich bin der große Derdiedas das rigorose Regiment der Ozonstengel prima Qua der anonyme Einprozent. Das P. P. Tit und auch die Po Posaune ohne Mund und Loch das große Herkulesgeschirr der linke Fuß vom rechten Koch. Ich bin der lange Lebenslang der zwölfte Sinn im Eierstock der insgesamte Augustin im lichten Zelluloserock. 2 Er zieht aus seinem schwarzen Sarg um Sarg um Sarg um Sarg hervor. Er weint mit seinem Vorderteil und wickelt sich in Trauerflor. Halb Zauberer halb Dirigent taktiert er ohne Alpenstock sein grünes Ziffernblatt am Hut und fällt von seinem Kutscherbock. Dabei stößt er den Ghettofisch von der möblierten Staffelei. Sein langer Würfelstrumpf zerreißt zweimal entzwei dreimal entdrei. 3 Er sitzt mit sich in einem Kreis. Der Kreis sitzt mit dem eignen Leib. Ein Sack mit einem Kamm der steht dient ihm als Sofa und als Weib. Der eigne Leib der eigne Sack. Der Vonvon und die linke Haut. Und tick und tack und tipp und topp der eigne Leib fällt aus der Braut. Er schwingt als Pfund aus seinem Stein die eigne Braut im eignen Sack. Der eigne Leib im eignen Kreis fällt nackt als Sofa aus dem Frack. 4 Mit seiner Dampfmaschine treibt er Hut um Hut aus seinem Hut und stellt sie auf in Ringelreihn wie man es mit Soldaten tut. Dann grüßt er sie mit seinem Hut der dreimal grüßt mit einem du. Das traute sie vom Kakasie ersetzt er durch das Kakadu. Er sieht sie nicht und grüßt sie doch er sie mit sich und läuft um sich. Der Hüte inbegriffen sind und deckt den Deckel ab vom Ich. [/center]

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[center][size=3] Puppe (4) Die Prinzessin zog durch den Setzlingsgarten, vorbei am Geräteschuppen und am Kugelfisch-Teich, zu dem eigens für sie entworfenen Schloß. Zuerst war es ihr riesig vorgekommen, doch mit jedem Jahr war es kleiner geworden, und jetzt hatte Annamay, wenn Neuf und Schäf, die beiden Hunde, ihre Paladine, mit hinein durften, kaum Platz, um Freunde zu bewirten und sich um ihre Lieblingskinder zu kümmern. Beide brauchten fachkundige Pflege. Marietta hatte die Hälfte ihres Haars verloren, und zwar nicht durch eine eklige Krankheit, sondern durch Neuf, der schließlich das meiste davon im Gemüsegarten wieder herausgewürgt hatte, zusammen mit einem von Luella Lus Glasaugen. Luella Lus Auge - das wunderbarerweise unversehrt geblieben war - wurde sichergestellt, gereinigt und wieder angeklebt, saß aber nun, während das andere Auge sich bewegte, starr in seiner Höhle, und jetzt sah Luella Lu immer ganz rätselhaft aus, als könne sie Dinge erblicken, die andere nicht sahen. - Margaret Millar, Banshee, die Todesfee. Zürich 1990 (zuerst 1981) [/center]

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[center][size=3] Regenschirm (2) »Warum spannst du deinen Schirm nicht auf?« fragte ich. »Er geht nicht auf. Versuch mal.« Wir versuchten beide, und plötzlich bauschte sich der Regenschirm auf, die Speichen brachen durch den triefenden Bezug, der Wind ließ die Fetzen auftanzen; das Wrack wand sich über uns im Wind wie ein vertilgter mathematischer Vogel. Wir versuchten, ihn zusammenzufalten, aber eine bis dahin unsichtbare Speiche sprang aus seinen zerfetzten Rippen hervor. Leslie schleifte ihn hinter sich her über den Gehsteig, als hätte er ihn totgeschossen. - Dylan Thomas, nach: Vom Geheimnis der alltäglichen Dinge. Hg. Johannes Werner. Frankfurt m Main 1998 [/center]

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[center][size=3] Mensch (3) Die Adoleszenz ist nicht nur ein wichtiger Lebensabschnitt, sondern der einzige Abschnitt, in dem man im vollen Sinn dieses Wortes von Leben sprechen kann. Die Triebanziehungskräfte entfesseln sich um das dreizehnte Lebensjahr, danach werden sie zunehmend schwächer oder lösen sich in Verhaltensmodelle auf, die alles in allem nichts weiter als erstarrte Kräfte sind. Die Gewalt der ursprünglichen Entfesselung bewirkt, dass der Ausgang des Konflikts mehrere Jahre lang ungewiss bleiben kann; man nennt dies in der Elektrodynamik einen ›Übergangszustand‹. Das Oszillieren wird jedoch nach und nach langsamer, bis es sich in lange melancholische und sanfte Wellen auflöst; von diesem Moment an ist alles gesagt, und das Leben ist nur noch eine Vorbereitung auf den Tod. Brutaler und weniger exakt ausgedrückt kann man sagen, dass der Mensch ein verminderter Heranwachsender ist. - Michel Houellebecq, Ausweitung der Kampfzone. Berlin 1999, zuerst 1996 [/center]

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[center] [size=4]Naoko's Lächeln[/size] [size=3]Haruki Murakami[/size] [img]http://jetztimg.sueddeutsche.de/upl/images/user/ninja/246562.jpg[/img] [size=3] [b]Aus der Amazon.de-Redaktion[/b] In den Büchern von Haruki Murakami geht es zu wie in den Filmen von Eric Rohmer. Schöne Menschen plaudern in angenehmer Umgebung ununterbrochen über Leben, Sex, Liebe und Tod und haben dabei keine Mühe, die richtigen Worte zu finden. Dabei halten sie sich alle für etwas ganz Besonderes. Nur der Protagonist Watanabe glaubt, er sei ein Durchschnittsmensch mit Durchschnittsintellekt und Durchschnittskörper und merkt gar nicht, welche abstrusen Charaktere er um sich versammelt. Zum Beispiel Nagasawa, eine Art japanischer Casanova, der Nacht für Nacht losziehen muss, um Mädchen aufzureißen, während die schönste Frau zu Hause auf ihn wartet. Oder seine Kommilitonin Midori, die beide Eltern bis zum Krebstod pflegte und die sich nun nackt vor das Foto ihres Vaters setzt, um ihm zu zeigen, dass sie inzwischen eine Frau geworden ist. Midori würde sich nichts lieber wünschen, als dass Watanabe beim Onanieren an sie denke. Die schöne Naoko dagegen hat andere Probleme. Freiwillig eingeschlossen in eine Nervenklinik versucht sie, den frühen Tod ihres Freundes Kizuki loszuwerden. Beide sind zusammen aufgewachsen und haben alles gemeinsam gelebt. Es war nie eine Frage gewesen, mit einem anderen Menschen zu leben. Doch plötzlich hatte sich Kizuki umgebracht, und sie war übrig geblieben. Wie einen Staffelstab gibt sie ihr Schicksal an Watanabe weiter, der Naoko liebt und den sie dennoch auf dieselbe Art verlassen wird, wie sie es einst wurde. [b] Der Leser merkt bei allem sehr schnell, dass zwischen der Entscheidung, beim Onanieren an jemanden zu denken und miteinander das Leben zu verbringen, kein großer Unterschied besteht. Dass es immer nur darum geht, dass man sich in der Welt versichert und jemanden findet, der einem die eigene Existenz abnimmt. [/center] [/b]

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[center][size=4]Lilientier[/size] DAS Lilientier ist nicht im eigentlichen Sinn ein Tier; im Gegenteil: es ist sanft, und auch lind, das Lilientier rennt nicht, im Gegenteil: es kann genau besehen Jahre in absoluter und minutiöser Reglosigkeit verharren das Lilientier ernährt sich nicht vom Fleisch lebender Wesen, trotzdem verhält es sich so, als hätte es schon welches gefressen, es hat, so heißt es, eine Art Geschmacksgedächtnis, in welchem sich auch Spuren von getötetem und verschlungenem Tierfleisch finden — während es doch infolge seiner Lindheit weder Mund noch Zähne besitzt und darum absolut kein Fleisch von getöteten Lebewesen fressen könnte. Trotz dieser seiner Wesenszüge wird das Lilientier als wildes, schnelles und fleischfressendes Tier studiert und klassifiziert. Wie die Experten versichern, gibt es keine andere angemessene Art, es zu beschreiben, auch wenn sie zugeben, daß das Lilientier keine der typischen Verhaltensweisen wilder, schneller und fleischfressender Tiere aufweist. In Wahrheit aber wissen alle — sowohl die Wissenschaftler, die das Lilientier auf schweigsamen Diapositiven oder vom Hörensagen zaghaft lüsterner Kaffeehausgeschichten studieren, als auch die Einheimischen — daß das Lilientier getötet werden muß, und daß man es gerade darum töten muß, weil es lind, statisch und abstinent ist. Alle diese Eigenschaften, die theoretisch ein harmloses und geselliges Haustier aus ihm machen könnten, verleihen ihm eine furchterregende weil schleichende Macht, obwohl es schwerfällt zu sagen, in welcher Weise dieses Tier sich einschleicht. Kurz: es ist wild nicht obwohl, sondern weil es lind ist, und wer immer seine Lindheit züchtet, wird daran sterben. Es scheint also sicher, daß das Lilientier auf paradoxale Art wild ist, was zur Folge hat, daß man es töten muß. Doch gerade das ist schwer. Es scheint kein Herz zu haben, das man durchbohren, keinen Kopf, den man abhauen, kein Blut, das man vergießen könnte. Alle jene, die versucht haben, es mit Pfeilen — auch den bedrohlicheren harzbrandgetränkten — zu töten (es zu treffen ist nicht schwer, da es, wie gesagt, reglos verharrt) haben es durchbohrt, ohne ihm Schaden zuzufügen, sich ihm zu nähern, um seinen Körper— aber kann man da überhaupt von »Körper« reden? — mit Scherenstichen zu versehen ist ungemein gefährlich, da das Lilientier aus der Nähe seine schreckliche Lindheit ausüben kann. In Wirklichkeit kennt man absolut keine Art, wie man das Lilientier auf sichere Weise töten könnte, aber die Einheimischen schlagen folgende Weise vor: mit Pfeilen schießen, indem man in die entgegengesetzte Richtung zielt, hundert Jünglinge anwerben, die dem Lilientier reihum reglos zulächeln, schließlich — und das ist nachweislich die beste Methode — es im Traum töten, und zwar auf folgende Weise: man nehme den Traum, in dem sich das Lilientier befindet, rolle ihn zusammen und zerreiße ihn dann — ohne Gebärde des Zorns, aber das Lilientier läßt sich nur selten träumen. [/center]

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[center][size=4]A Bao A Qu[/size] Um die schönste Landschaft der Welt betrachten zu können, muß man zum obersten Stock des Siegesturmes in Chitor hinaufsteigen. Dort gibt es eine kreisrunde Terrasse, von der aus man den gesamten Horizont überblicken kann. Eine Wendeltreppe führt zu ihr hinauf, aber nur diejenigen haben den Mut, sie zu besteigen, die nicht an die folgende Geschichte glauben: Auf der Treppe des Siegesturmes lebt seit Anfang der Zeiten A Bao A Qu, das für alle Werte der menschlichen Seele empfänglich ist. Im Zustand der Lethargie lebt es auf der ersten Stufe und erfreut sich bewußten Lebens erst dann, wenn jemand die Treppe hinaufsteigt. Die Ausstrahlung des nahenden Menschen flößt ihm Leben ein, und ein inneres Licht geht in ihm auf. Gleichzeitig beginnen sein Körper und seine fast durchscheinende Haut sich zu bewegen. Wenn jemand die Treppe hinaufsteigt, heftet sich das A Bao A Qu gleichsam an die Absätze des Besuchers und steigt mit ihm aufwärts, wobei es sich am Rand der Stufen hält, die krumm sind und abgenutzt von den Füßen der Generationen von Pilgern. Auf jeder neuen Stufe wird seine Farbe kräftiger, seine Gestalt vollkommener, und das Licht, das es ausstrahlt, wird immer leuchtender. Ein Beweis für seine Feinfühligkeit ist die Tatsache, daß es nur dann auf der letzten Stufe seine vollkommene Gestalt erreicht, wenn der Hinaufsteigende ein spirituell entwickeltes Wesen ist. Andernfalls bleibt das A Bao A Qu vor dem Erreichen des Ziels wie gelähmt liegen, sein Körper ist unfertig, seine Farbe unbestimmt und sein Licht schwankend. Das A Bao A Qu leidet, wenn es sich nicht gänzlich formen kann, und seine Klage ist ein kaum vernehmbares Geräusch, ähnlich dem Knistern von Seide. Wenn aber der Mann oder die Frau, die es beleben, ganz rein sind, kann das A Bao A Qu die letzte Treppenstufe erreichen, ist dann vollkommen geformt und strahlt ein lebendiges blaues Licht aus. Seine Rückkehr zum Leben ist sehr kurz, denn wenn der Pilger wieder hinabsteigt, rollt und stürzt das A Bao A Qu hinunter bis zur ersten Stufe, wo es, schon wieder ausgelöscht und einer Folie mit undeutlichen Umrissen gleich, des nächsten Besuchers harrt. Man kann es nur dann deutlich sehen, wenn es auf der Mitte der Treppe angekommen ist, wo seine Körperauswüchse, die ihm, wie Ärmchen, beim Klimmen helfen, klar umrissen sind. Manche sagen, daß es mit seinem ganzen Körper sehe, und daß es in der Berührung an die Haut eines Pfirsichs erinnere. Im Lauf der Jahrhunderte hat das A Bao A Qu nur einmal die Vollendung erreicht. [/center]

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[center][i] Küssen ist nur ein missglückter Versuch den anderen zu essen - daran scheiternd dass der Mund einfach zu klein war um all Das aufzunehmen was tief im Inneren ein Märchen ist. [/i]-- Copyright by myself (tirrhmoi) [u][/u]

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[center][size=4] Georg Büchner - Lenz[/size] Zwei Aspekte sind es, die Büchners Lenz bemerkenswert machen. Zum einen ist es Büchners einzigartig einfühlsame Darstellung von Lenzens innerer, von Depressionen und Zerrissenheit geplagter Verfassung. Zum anderen ist es die Tatsache, daß Büchner erstmalig innerhalb einer Erzählung die Voraussetzungen für eben solche Erzählungen (mit Hilfe eines Kunstgespräches) thematisiert. Sowohl in diesem Gepräch, als auch auch im Gesamtkonzept des Lenz, wird Büchners Kritik an Idealistischer Dichtkunst deutlich, und damit auch Büchners literarisches Credo. Lenz ist nämlich keine „Holzpuppe", die nur symbolisch und leblos für irgendwelche abstrakten Werte steht, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit Recht auf ein Leben, welches Selbstzweck ist und nichts anderes. Büchner ist mit seinem Lenz aber noch in anderer Hinsicht seiner Zeit voraus: Anders als bei dem verklärenden, harmonischen Realismus eines Fontane oder Storm, denkt Büchner nicht daran, das Häßliche aus seiner Kunst zu verbannen. Er verlangt Leben, und zwar so, wie es ist, nicht so, wie es vermeintlich sein soll! Damit opponiert Büchner bereits gegen eine Strömung des Realismus, welche zu seinen Lebzeiten noch gar nicht existiert. [/center] -- Der Text ist auch nachzulesen bei "gutenberg" online. http://www.theateraufcd.de/Lenz.aspx -> Das Buch als audiobook. [i][/i]

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[center][img]http://www.evolvefish.com/fish/media/S-CrucifixInPocket.gif[/img]

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[center] [font=courier new][size=4] [img]http://www.akademie-der-kuenste.de/bilder/body1.jpg[/img] * #emotionaler aderlass [/center]

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[font=courier new][center][size=5] Der "Beiß-Kuss" der Melanesier[/size] [size=3] Der Verhaltensforscher Bronislaw Malinowski, der etwa Mitte des letzten Jahrhunderts umfangreiche Studien bei Naturvölkern in Melanesien (Inselgruppe im Pazifik nördlich von Australien) betrieb, berichtet in seinem Buch "Das Geschlechtsleben der Wilden Nordwestmelanesiens" über ungewöhnlich intensive Formen des Küssens: "...Allmählich werden die Liebkosungen leidenschaftlicher und nun tritt vor allem der Mund in Tätigkeit. Die Zunge wird angesaugt und Zunge an Zunge gerieben; einer saugt an des anderen Unterlippe, und die Lippen werden gebissen, bis Blut kommt. Speichel fließt von Mund zu Mund. Die Zähne werden fleißig gebraucht, um einander die Wangen zu beißen... Ein anderer Wesenszug des Liebesspiels, für das der Durchschnitts-Europäer noch wenig Verständnis haben dürfte, ist das Abbeißen der Augenwimpern." [/center]

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[font=courier new] [size=6]Daniel Casper von Lohenstein (1635-1683)[/size] [size=5]Die vortrefflichkeit der küsse.[/size] [size=3] 1. Nectar und zucker und safftiger zimmet / Perlen-thau / honig und Jupiters safft / Balsam / der über der kohlen-glut glimmet / Aller gewächse versammlete krafft / Schmecket / zu rechnen / mehr bitter / als süsse / Gegen dem nectar der zuckernen küsse. 2. Hyble wird gerne der blumichten brüste / Rosen / narcissen und liljen verschmähn / Wird er die freuden-geschwägerte lüste Zweyer sich küssender seelen ansehn. Da sich stets honig einsammlende bienen Finden um ihre geküßte rubinen. 3. Marmel und kisel und eiserne wercke / Diamant und unzerbrüchlicher stein / Stählerne / noch alabasterne stärcke / Schliessen so feste / wie küsse / nichts ein. Küsse verknüpffen mit nährenden flammen Zwischen zwey lippen zwey herzen zusammen. 4. Schätzt ihr nicht küssende küsse für winde / Welche nicht über den lippen-pfad gehn? Meynet ihr / münde beküssen nur münde? Nimmermehr wirds euch die liebe gestehn. Wisset / ihr eiß-kaltgesinnete / wisset / Hier wird die küssende seele geküsset. 5. Küsse bewurzeln sich schwerlich so feuchte; Meynen die lippen / daß küssen nur rauch? Lippen und mund zwar empfinden das feuchte / Den mit der wärme verschwisterten hauch. Aber die seele bekömmet das beste / Von dem mit liebe beseeleten weste. 6. Küsse sind schweigende reden der lippen / Seuffzer der seelen und strahlen der gunst; Welche von ihren corallenen klippen Sämen ins herze die quelle der brunst; Derer gebraucht sich der wütende schütze / Daß er mit ihnen gemüther zerritze. 7. O der unendlich-erquickenden schmerzen / Wenn man die küsse mit seuffzern vermengt! Bald die lieb-äugelnden sternen und kerzen Auff die geküssten rosen versenckt / Wenn sich gemüthe / gedancken und leben Haben auff äuserste lippen begeben. 8. Lachet ihr lippen / ihr pförtner des lachens / Schöpffer der worte / du perlerner mund / Schieß-platz der liebe / des feurigen drachens / Köcher der pfeile / durch die man wird wund. Höle / wo Cypripor wangen erröthet / Herzen uns stiehlet / und seelen uns tödtet. 9. Lippen / die scharlach und rosen bedecken / Welche der marmel der wangen umflicht / Rühret von purpurnem schaume der schnecken Euere göttliche liebligkeit nicht? Nein / nein / ihr habt euch in thränen und aschen / Und in dem blute der buhler gewaschen. 10. Erstlich zwar wolten die milchernen wangen Geben an farbe dem munde nicht nach; Aber seit purpur die milch hat umfangen / Und das vor lauter- und schneerne dach Ward von halbfarbichter röthe besämet / Stehet die prahlende hoffart beschämet. 11. Wo denn die blutige wärme der glieder Selber der wagen der seelen soll seyn / Auch sie sich nirgend nicht schöner läst nieder / Als in der lippen beblümeten schein / Kan man die seele gewisser nicht finden / Als auff mit blute beseeleten münden. 12. Prüfet man ferner der lippen ihr kosen / Muß man gezwungen bekennen / man schau Säugende bienen / und säugende rosen / Winckende nelcken / und tränckenden thau; Die wohl mit thaue die lippen beküssen / Aber nach anderen dürsten auch müssen. 13. Zwar in der augen gestirntem gerüste Wird die uns martende liebe gezeugt. In den bemilcheten liljen der brüste Wird sie mit feuer und flammen gesäugt / Biß sie mit reiffender saate wird gelbe / Zwischen der schooß alabaster-gewölbe. 14. Aber man kan sie mit keinerley kosen / Als mit gepfropfeten früchten erziehn / Auff den mit seelen geschwängerten rosen / Wo das begeisterte küssen wird grün / Soll mit der zeit mit feuer und blitzen / Können metallene herzen zuritzen. 15. Denn wie wird können die seele der seelen / Die uns entseelende liebe bestehn? Wird auff der lippen rubinen hölen Ihr nicht die säugende nahrung auffgehn? Denn auff den lippen entstehen und stertzen / Leben und sterben / die seelen und herzen. 16. Hier find die seele den tod und das leben / Auffgang und untergang / wiegen und grab. Hier wird die glut ihr zur speise gegeben / Und was sie nehret / das zehret sie ab. Gleichwie der Phönix von neuem auch lebet / Wenn er sich zwischen die flammen begräbet. 17. Küsset demnach / ihr geküsseten / küsset / Küsse mit küssen verwechseln steht fein. Glaubet / ihr geber und nehmer / man büsset Nicht an der küssenden waare hier ein. Würde sich wer / als bevortheilt / beschweren / Der wird dem nehmer sie doppelt gewähren. 18. Seelen / die ihr von zwey augen entzündet / Lustige marter und martende lust / Ja ein unsterbliches sterben empfindet In der entseelt und beseeleten brust / Hier hilfft ein kuß / ein erqvick-safft den herben / Sterben dem leben / und leben dem sterben. 19. Hier sind die küsse das flammende kühlen / Ja die verwundete salbe der pest / Welche das herze beseelig't / das fühlen Mit überzuckertem sausseln anbläst. Küssen ist hier / das den todten das leben / Daß er nur öffter ersterbe / kan geben. 20. Ist / Roselinde / nun auch dein beginnen / Meine vergnügung / dein kummer / mein schmerz? Haben wir einerley willen und sinnen? Haben wir zwischen zwey brüsten ein herz? Fasset mein herze dein herze / du meines? Ach! ach! wie seynd nicht die lippen auch eines? 21. Ach meiner augen augapffel und sonne / Ach meiner seelen beseelender geist! Qvellbrunn der freuden / und wurzel der wonne / Die mein verhängniß mich peinigen heist; Laß dein rubin-glaß der lippen hersincken / Daß ich daraus mir mein sterben kan trincken. 22. Blicket / ihr sternen / in himmel der liebe / Blicket ihr spiegel der augen mich an. Lebende sonnen durchstrahlet das trübe / Das euer abseyn erregen mir kan. Will ich doch willig im blutenden herzen / Euere blitzende pfeile verschmerzen. 23. Reiche den perlenen purpur im munde / Zwischen vergeisterten seuffzer mir dar. Küssen verwundet und heilet die wunde / Welche von küssen geritzet erst war. Aber / wenn wird man die wunde gelosen? Küssen sticht ärger / als dörner an rosen. 24. Ja / wenn die lippen auff lippen sich legen / Wenn kuß und kuß mit ergetzligkeit scherzt / Fühlet die seele so feuriges regen / Daß sie fast ausser sich selber wegsterzt. Wenn sie der seuffzer geflügelter wagen Hat auff die küssende lippen getragen. 25. Fühlen die glieder denn solche geschäffte / Welche die seelen den seelen entziehn / Bald die ergänzen die mangelnden kräffte: Fänget das marck an in adern zu glüh'n / Und des geblütes erregete flammen Lauffen biß zwischen die lippen zusammen. 26. Die überrötheten wangen erwarmen / Schwimmend in rosen und schwanger mit lust / Und die verwechselten armen umarmen Achsel / und neben dem halse die brust; Eben wie dörner die winden / die reben Ulmen / und eppich die eichen umgeben. 27. Cypripor aber / mehr schmerzen zu schmieden / Spielet indessen ins herze sich ein / Zündet ein feuer an / thränen zu sieden / Seuffzer zu kochen / das öle der pein / Welches der seelen halbglimmende kerze Nur noch erfrischt mit erquickendem schmerze. 28. Unterdeß geht auff den küssenden münden Eine gewünschte wechselung für. Liljenlieb giebet sein herz Roselinden / Und er empfänget die seele von ihr / Endlich mißgönnens den lippen die augen / Durstig das honig der lippen zu saugen. 29. Zwischen dergleichen beliebenden nöthen Macht sich die sterbende seele gesund / Und die getödteten herzen ertödten / Und das verwundete machet uns wund / Und das verletzete leben verletzet / Und das ergetzete sterben ergetzet. 30. Nun o gib / daß die begeisterten lippen Ich / Roselinde / von deinen nicht zieh. Lasse der marmel-brust milcherne klippen Locken vom munde kein küssen auff sie. Tödte die mißgunst der blumichten wangen / Welche so sehnlich nach küssen verlangen. 31. Laßt es euch doch nicht gelüsten ihr hände; Küssen geht eure gelencke nicht an. Denn wie nicht werth ist der liebenden bände Diß / was hinwieder uns lieben nicht kan: Also soll / was uns nicht wieder kan küssen / Auch nicht das seelige küssen geniessen. 32. Ja das uhrälteste liebes-gesetze Wiedmet den lippen das küssen / und will / Daß sich die hand auff den brüsten ergetze / Setzet die augen den wangen zum ziel. Uber den lippen befiehlt es zu leben / Aber die schooß ist zum sarge gegeben. 33. Hütt euch indessen ihr münde für worten / Fühlet der reden lieb-kosenden west. Schleuß / Roselinde / die redenden pforten / Daß ihr nicht etwa des küssens vergest. Durch die mit worten verstörete herzen Fühlen die seelen unleidliche schmerzen. 34. Tödte der zungen gewächsiges schwätzen / Welche die lippen im küssen verstöhrt. Aber dafern sie soll kräfftig ergetzen / Und nicht hinfüro zu wachsen auffhört; Glaub' ich / daß mich eine natter will schrecken / Welche die rosen der lippen verdecken. 35. Hast du denn zunge so sehnlich verlangen Einige worte der liebe zu fühl'n? Schaue wie freundlich die züngelnde schlangen Mit dem so schlüpffrichten zungen-gifft spiel'n. Eben so kanst du mit züngelnden küssen / Zwischen den lippen ihr honig geniessen. 36. Honig geniessen / ja honig verleihen / Wie des besilbernden perlen-thaus glaß In den wohlriechenden nächten des mäyen Kränzt und bezuckert das blumichte graß / Also bezuckert das züngelnde kosen Küssender lippen benelckete rosen. 37. Weil nun dergleichen beliebtes besüssen / Lippen und zungen so balsamet ein / Pflegen die zähne mit linderen bissen Zungen und lippen behäglich zu seyn; Hoffende von dem liebreizenden spielen Lieblichen seegen und regen zu fühlen. 38. Will den die liebe mit süssem vergällen / Zucker den zuckernen küssen verleihn / Kan sich die schlaue so meisterlich stellen / Küssen das müsse zu wider ihr seyn. Ja Roselinden halb-sauere blicke Stossen die küssende lippen zurücke. 39. Aber allhier sind nur kinder erschrocken / Denn ein erfahrener buhle weiß wohl: Weigerung sey ein liebreizendes locken / Daß er noch eifriger küssen sie soll; Weil die mit liebe bezauberte frauen Gerne zum küssen gezwungen sich schauen. 40. Erstlich zwar / ehe das küssende kämpffen Ein unerfahrener Corydon wagt / Läst er ihm offt begierden fast dämpffen / Weil ihm sein eigener kleinmuth absagt. Dreymahl schlägt sie sein beginnen ihm nieder / Endlich bereut er sein reuen erst wieder. 41. Wagt er es auch gleich nach zweiffelnden zagen Daß er ihr wieder ein küßgen zustellt. Ach / ach / so ist zu dem furchtsamen wagen Ein holgebrochenes seuffzen gestellt / Gleichsam als nisteten zwischen den wangen Küssender lippen verletzende schlangen. 42. Schiene sie gleich auch gar zornig zu werden / Buhler-zorn ist ein beliebender west / Welcher das feuer der lauen geberden / Welches schon halb war erloschen / auffbläst / Und die gewäschigen liebes-gezäncke Sind denen vereinigten herzen lust-räncke. 43. Sencken sich gleich auch die lippen vonsammen / Ach es rührt nicht aus ersättigung her; Denn die mit schwefel gemehrete flammen Fällt zu ersättigen schwerlich so schwer / Als den nach küssend-recht lechzenden willen Wollen mit übrigen küssen erfüllen. 44. Nein / nein / mit diesem auffhören von küssen Giebt man den lippen allein zu verstehn / Was mit so weniger lieblichkeit müssen Ihnen für kräfftige freuden entgehn / Biß sie mit desto begierigerm herzen Wieder durch küssende wechselung scherzen. 45. Offtermahls sind auch die dürstigen münde Von dem entgeisterten küssen so schwach / Daß sie sich durch die erseuffzete winde / Durch ein mir thränen befeuchtetes ach Müssen nach langer bemühung erquicken / Ferner zum küssen sich frischer zu schicken. 46. Denn wie wenn einmahl der himmel die schnecken Mit dem bebisamten silber-thau tränckt / Sie ihn zum andernmahl dürstiger lecken / Wenn er noch einmahl auff kräuter sich senckt: Also vermehret von vielem geniessen Sich die geschöpffte begierde zu küssen. 47. Ja! wenn am besten die lippen bedächten / Daß noch am meisten ein einiger kuß Durch das mit nectar erfrischte befeuchten / Sie von dem dürsten erledigen muß / Ach / ach / so säh'n sie sich eher verbrennet / Eh' sie den kuß für ein feuer erkennet. 48. Fühlten es gleich auch die lodernden herzen / Küssen sey eine verzehrende glut / Eine vergifftung / ein oele den schmerzen / Eine mit flammen ersäuffende flut / Würden sie doch wohl im küssenden sterben Wollen verglimmen / ersäuffen / verderben. 49. Denn es gelüstet die rächelnden seelen / Wenn sie die thränenden lippen anschaun / Zwischen dergleichen zinobernen hölen Ihnen ein lebend begräbniß zu baun / Meynende / für dem nicht küssenden leben Wäre der küssende tod zu erheben. 50. Sehnlicher tod! Roselinde nun tödte! Selige wunde! ach mache mich wund. Lehre den / mit der verschwisterten röthe / Und den mit pfeilen gewaffneten mund; Denn er ist / warlich / ein köcher voll küsse / Tödte / verwunde mich. Beydes ist süsse. 51. Heilsamer köcher / gewünschete pfeile! Flieget / hie habt ihr mein herze zum ziel / Kräncket es doch / daß die kranckheit es heile / Treffet / hier trifft / wer gleich treffen nicht will; Denn der begierde bezauberte schmerzen Ziehen die küssende pfeile zum herzen. 52. Wie der magnet sich nach norden hinkehret / Wie sich die flamme zum flammen-qvell glimmt: Gleich wie der schwaade der erden zufähret / Wie das geträncke der dürstige nimmt; Also fühl ihr herz und lippen auch lechsen Nach dem ambrosenen lippen-gewächsen. 53. Weigerst du dich denn im glase des mundes Mir zu gewähren das küssende gifft? Heischet doch diß das gesetze des bundes / Welchen mit uns hat die lippen gestifft; Thu's / Roselinde / mein engel / ich sterbe. Sterben ist lieblich / und leben ist herbe. 54. Thu's / Roselinde / mein kind / aus erbarmen / Mache mein schwindendes herze gesund / Labe mich matten / beschencke mich armen / Träncke den fast halb erdürsteten mund. Küsse mich. Weist du? die küsse die haben Kräffte zu heilen / zu träncken / zu laben. 55. Küsse mich herze / herze mich / liebste / von herzen / Treibe das friedsame kämpffen fein scharff / Gönne / daß ich diß erquickende scherzen Allemahl zehnmahl vergelten dir darff. Billig verwechselt man süsse für süsse / Zucker für zucker / und küsse für küße. 56. Wirstu diß also beständig nur treiben / Werden wir beyde beseeliget seyn / Du / Roselinde / wirst meine verbleiben / Wie ich ingleichen auch bleiben muß dein. Denn die verknüpffenden küsse sind kerzen Liebender seelen / und kochender herzen. [/left]

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[right][font=courier new][size=6]The Scorpion and the Frog.[/size] [size=3] One day, a scorpion looked around at the mountain where he lived and decided that he wanted a change. So he set out on a journey through the forests and hills. He climbed over rocks and under vines and kept going until he reached a river. The river was wide and swift, and the scorpion stopped to reconsider the situation. He couldn't see any way across. So he ran upriver and then checked downriver, all the while thinking that he might have to turn back. Suddenly, he saw a frog sitting in the rushes by the bank of the stream on the other side of the river. He decided to ask the frog for help getting across the stream. "Hellooo Mr. Frog!" called the scorpion across the water, "Would you be so kind as to give me a ride on your back across the river?" "Well now, Mr. Scorpion! How do I know that if I try to help you, you wont try to kill me?" asked the frog hesitantly. "Because," the scorpion replied, "If I try to kill you, then I would die too, for you see I cannot swim!" Now this seemed to make sense to the frog. But he asked. "What about when I get close to the bank? You could still try to kill me and get back to the shore!" "This is true," agreed the scorpion, "But then I wouldn't be able to get to the other side of the river!" "Alright then...how do I know you wont just wait till we get to the other side and THEN kill me?" said the frog. "Ahh...," crooned the scorpion, "Because you see, once you've taken me to the other side of this river, I will be so grateful for your help, that it would hardly be fair to reward you with death, now would it?!" So the frog agreed to take the scorpion across the river. He swam over to the bank and settled himself near the mud to pick up his passenger. The scorpion crawled onto the frog's back, his sharp claws prickling into the frog's soft hide, and the frog slid into the river. The muddy water swirled around them, but the frog stayed near the surface so the scorpion would not drown. He kicked strongly through the first half of the stream, his flippers paddling wildly against the current. Halfway across the river, the frog suddenly felt a sharp sting in his back and, out of the corner of his eye, saw the scorpion remove his stinger from the frog's back. A deadening numbness began to creep into his limbs. "You fool!" croaked the frog, "Now we shall both die! Why on earth did you do that?" The scorpion shrugged, and did a little jig on the drownings frog's back. [size=5]"I could not help myself. It is my nature."[/size] Then they both sank into the muddy waters of the swiftly flowing river. [/right]

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[center][font=courier new][size=6] Margareth Obexer "Die Liebenden"[/size] [size=4]Seiten 31 - 32[/size] [size=4]Wer liebt, hat niemals unrecht.[/size] [size=3][left] Eine junge Frau ist verliebt. Fieberhaft überlässt sie sich diesem Abenteuer und kennt bald nur mehr den einen Gedanken: die Frau wiederzusehen, die sie in einem Szenelokal mit einem ersten Kuss verzaubert hat. Sie sieht das Glück auf ihrer Seite, und die Gewissheit ebenso, den geliebten Menschen und überhaupt die ganze Welt mit ihrer Liebe zu beglücken. Und: wer liebt, hat niemals Unrecht. Für die andere Frau ist das nichts Neues mehr. Nicht zum ersten Mal legen ihr Verliebte die Welt zu Füßen und betrachten sich selbst als Geschenk. Im glühenden Optimismus der Kleinen erkennt sie nur das lächerliche Unvermögen, die Spielregeln zu beherrschen, den der Umgang mit Erotik verlangt. Dieses Unwissen lässt sie die Kleine spüren, wo sie nur kann, sie quält sie, peinigt sie und gestattet ihr keinen Trost. Doch so leicht ist diese nicht abzubringen von ihrer Liebe. Schließlich kann sie immer noch alleine weiterlieben. Zwei Machtzentren prallen aufeinander: die Kraft der Liebenden trifft auf die Macht derjenigen, die ihre Liebe unerwidert lässt. Und auch die Ohnmacht zeigt sich auf beiden Seiten. Auf der Seite der Liebenden und auf der Seite derjenigen, die einmal mehr ernüchtert feststellen muss: "Allein muss ich schweigen zu dem Satz, den sie noch sagen kann: ‚Ich liebe dich’." Die Liebenden sprechen in verschiedenen Sprachräumen übereinander - selten miteinander. Die eine spricht monologisch und erinnernd über eine Geschichte, die schon vergangen ist. Für die Verliebte dagegen ist alles noch nah und nichts vergangen. Hoffnungen stellen sich immer wieder neu ein, während sie auf Anrufbeantwortern spricht oder ihre Stimme im Kosmos, zwischen Mond und Sternen, verhallt. [size=5]TEXTAUSZUG[/size] [b]2. Stimme:[/b] Als die Musik aus war schickte ich sie nach Hause. „Du bist zu schade für eine schnelle Nacht“, sagte ich ihr. Ich wußte, es wäre ungünstig für sie ausgegangen. Mit mir allein hätte sie dem nicht gerecht werden können, was sie im Lokal von sich hielt. Der ganze Heldenmut wäre in den Abfluß geronnen. Wir umarmten uns und standen eine Weile unter freiem Himmel. Hörten den Vögeln zu und genossen den feuchten Atem der Erde, wenn es Frühling wird. Ich liebe den Zeitpunkt, wo die Nacht in den Tag übergeht. Dieses dunkel tiefe Blau. Vereinzelte Sterne. Sie kannte die Namen der Sterne. Sie wußte Bescheid. Konnte die unruhig flimmernden Planeten am Rande der Erde von den richtigen Sternen unterscheiden. [right] [b]1. Stimme:[/b] Die richtigen Sterne strahlen von alleine. Sie gewinnen ihr Licht aus der eigenen Elektrizität. Sie strahlen so lange, bis die Substanz verglüht, bis der Staub nicht mehr geladen ist. Die anderen werden bestrahlt. Deshalb ist ihr Licht unbeständig und wechselhaft. [/right] [b]2. Stimme:[/b] Und sie zeigte mir ihre zwei ganz persönlichen Sterne. Kaum wahrnehmbar konnte man zwei nebeneinanderliegende Sterne sehen, die rot und blau flimmerten. Ich sagte, ich weiß nicht, warum ich das sagen mußte, ich sagte: „Laß die Sterne dort oben, hier unten sind es nur verglühte Steine.“ Und irgendwie, nachdem ich das aussprach, fühlte ich mich selbst wie ein erloschener Komet. (Lacht kurz auf) Ich ging in ein Café, bestellte mir ein Frühstück und ließ die Nacht, die Blicke an mir vorüberziehn, und schaute den seifigen Frühaufstehern zu, wie sie sich zur Arbeit steuern ließen. [size=5]6. Szene:[/size] [b]2. Stimme:[/b] Wir verzichteten auf das lauwarme Ritual des Kennenlernens. Man teilt sich das Sternzeichen mit und stellt eifrig fest, wie gut man zueinander paßt. Entweder sind es die Gegensätze, die sich anziehen, oder die Ähnlichkeiten, die sich immer schon suchten. Endlich ist der richtige Mensch gefunden, der so richtig ist, daß es schon nichts mehr zu besprechen gibt, alles ist richtig und alles ist gut, und alles schweigt vor dieser phänomenalen Richtigkeit und Stimmigkeit. Gelangweilt schweigen, sich in die Augen grinsen, von vorübergehenden sich beglückwünschen lassen und sich gegenseitig verheißen, was für einen Spaß man miteinander haben wird. Wir verzichteten darauf. (Lacht auf) Sie, mit ganzem Ernst, mit ganzem Ernst fragte sie mich offen ins Gesicht: [right] [b]1. Stimme:[/b] Was hältst Du vom Leben!? [/right] [b]2. Stimme:[/b] Was hältst Du vom Leben?! (Lacht laut und länger aus) Und sagte, als sie zum ersten Mal meine Hand berührte: [right] [b]1. Stimme:[/b] To be or not to be. [/right] [b]2. Stimme:[/b] (Pathetisch) To be or not to be!, als sie meine Hand zum ersten Mal berührte. (Lacht, Pause) (Ernst) Sie sagte so manches, von dem sie noch nichts verstand. Sie sagte es wie selbst gewußt, mit eigenen Wörtern, oder jedenfalls selbst zusammengestellt. Es war wie ein Wissen, das die merkwürdige Eigenschaft besitzt, daß es sich denen zeigt, die noch nichts davon verstehen, und sich vor denen verkriecht, die es eigentlich wissen müßten. Sie konnten nicht wissen, wie wahr sie manchmal sprach, was sie einfach sagte. Ich geizte nicht mit meinem Erstaunen. Sie sollte wissen, daß ich uns nicht zum Mainstream zählte. Manchmal tauchten später lose Sätze von ihr auf und begannen, sich in meinem Kopf zu beschäftigen. Es war etwas Widerwärtiges daran. Ich ließ mich hinreißen und begann, ihr von Jacqueline zu erzählen. Wäre sie wirklich klug gewesen: sie hätte geschwiegen. Doch sie mußte ihre Altklugheit zum Besten geben. Irgendwann fiel der Satz von ihr: [right] [b]1. Stimme:[/b] „Die Liebe macht aus allen Opfer und Täter.“ [/right] [b]2. Stimme:[/b] Das hat gereicht. Ich stand auf und ging ins Bett. Ich ging ins Bett und war noch bereit, bereit für die Versöhnung. Doch sie: sie kam nicht nach. Und ich! Ich lag im Bett und wartete. Das war viel, das war in keinem auch nur denkbaren Verhältnis zu ihrem Status. Ich stand auf. Zog mich an. Schwarzes Dessous, dunkelroter Morgenmantel, lang, fallend. Zum Glück kann man sich immer noch auf Gefühle verlassen. Da saß sie, in ihrer lächerlichen Unbestechlichkeit und starrte zu den Sternen. Naßfroscher Edelmut, der nur durch mich zum Stehen kam. Ich war selten ergreifender. Selten inniger. Selten tiefer. Nie wieder gab ich mich so hin. Es war die Inbrunst, wie sie pro Geschichte nur einmal vorkommt. Ich umschloß sie, drückte zu, immer fester drückte ich zu. Ich hatte Lust, sie zu erdrücken. Danach schaute sie mir wässrig seelig in die Augen. [/font]

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[center] [font=courier new][size=5]Dream Land [/size] [size=4]by Christina Rossetti[/size] [size=3] Where sunless rivers weep Their waves into the deep, She sleeps a charmèd sleep: Awake her not. Led by a single star, She came from very far To seek where shadows are Her pleasant lot. She left the rosy morn, She left the fields of corn, For twilight cold and lorn And water springs. Through sleep, as through a veil, She sees the sky look pale, And hears the nightingale That sadly sings. Rest, rest, a perfect rest Shed over brow and breast; Her face is toward the west, The purple land. She cannot see the grain Ripening on hill and plain; She cannot feel the rain Upon her hand. Rest, rest, for evermore Upon a mossy shore; Rest, rest at the heart's core Till time shall cease: Sleep that no pain shall wake, Night that no morn shall break Till joy shall overtake Her perfect peace. [/size][/center]

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[center] [font=courier new][size=5]By the Babe Unborn[/size] [size=4]by Gilbert Keith Chesterton[/size] [size=3] If trees were tall and grasses short, As in some crazy tale, If here and there a sea were blue Beyond the breaking pale, If a fixed fire hung in the air To warm me one day through, If deep green hair grew on great hills, I know what I should do. In dark I lie; dreaming that there Are great eyes cold or kind, And twisted streets and silent doors, And living men behind. Let storm clouds come: better an hour, And leave to weep and fight, Than all the ages I have ruled The empires of the night. I think that if they gave me leave Within the world to stand, I would be good through all the day I spent in fairyland. They should not hear a word from me Of selfishness or scorn, If only I could find the door, If only I were born. [/size][/center]

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[center] [font=courier new][size=5]A Child of the Snows[/size] [size=4]by Gilbert Keith Chesterton[/size] [size=3] There is heard a hymn when the panes are dim, And never before or again, When the nights are strong with a darkness long, And the dark is alive with rain. Never we know but in sleet and in snow, The place where the great fires are, That the midst of the earth is a raging mirth And the heart of the earth a star. And at night we win to the ancient inn Where the child in the frost is furled, We follow the feet where all souls meet At the inn at the end of the world. The gods lie dead where the leaves lie red, For the flame of the sun is flown, The gods lie cold where the leaves lie gold, And a Child comes forth alone. [/size][/center]

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[center] [font=courier new][size=5]A Bruised Reed Shall He Not Break[/size] [size=4] by Christina Rossetti[/size] [size=3] I will accept thy will to do and be, Thy hatred and intolerance of sin, Thy will at least to love, that burns within And thirsteth after Me: So will I render fruitful, blessing still, The germs and small beginnings in thy heart, Because thy will cleaves to the better part.— Alas, I cannot will. Dost not thou will, poor soul? Yet I receive The inner unseen longings of the soul, I guide them turning towards Me; I control And charm hearts till they grieve: If thou desire, it yet shall come to pass, Though thou but wish indeed to choose My love; For I have power in earth and heaven above.— I cannot wish, alas! What, neither choose nor wish to choose? and yet I still must strive to win thee and constrain: For thee I hung upon the cross in pain, How then can I forget? If thou as yet dost neither love, nor hate, Nor choose, nor wish,—resign thyself, be still Till I infuse love, hatred, longing will.— I do not deprecate. [/size][/center]

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[center] [font=courier new][size=4]Der Schüler ging zum Meister und fragte ihn: "Wie kann ich mich von dem, was mich an die Vergangenheit heftet, lösen?" Da stand der Meister auf, ging zu einem Baumstumpf und umklammerte ihn und jammerte: "Was kann ich tun, damit dieser Baum mich losläßt?"[/size] [size=3]Aus dem Zen-Buddhismus. Quelle : Das Zen entstand im 6./7. Jahrhundert in China aus Meditationsbuddhismus und Taoismus [/size][/center]

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[center] [font=courier new][size=5]Schmück dir das Haar mit wildem Mohn[/size] [size=4]by Richard Dehmel[/size] [size=3] Schmück dir das Haar mit wildem Mohn, die Nacht ist da, all ihre Sterne glühen schon. All ihre Sterne glühn heut Dir! du weißt es ja: all ihre Sterne glühn in mir! Dein Haar ist schwarz, dein Haar ist wild und knistert unter meiner Glut; und wenn die schwillt, jagt sie mit Macht die roten Blüten und dein Blut hoch in die höchste Mitternacht. In deinen Augen glimmt ein Licht, so grau in grün, wie dort die Nacht den Stern umflicht. Wann kommst du?! - Meine Fackeln lohn! laß glühn, laß glühn! schmück mir dein Haar mit wildem Mohn![/size] [/center]

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[center] [font=courier new][size=5]Der Asra[/size] [size=4]by Heinrich Heine[/size] [size=3] Täglich ging die wunderschöne Sultanstochter auf und nieder Um die Abendzeit am Springbrunn, Wo die weißen Wasser plätschern. Täglich stand der junge Sklave Um die Abendzeit am Springbrunn, Wo die weißen Wasser plätschern; Täglich ward er bleich und bleicher. Eines Abends trat die Fürstin Auf ihn zu mit raschen Worten: Deinen Namen will ich wissen, Deine Heimat, deine Sippschaft! Und der Sklave sprach: Ich heiße Mohamet, ich bin aus Yemmen, Und mein Stamm sind jene Asra, Welche sterben, wenn sie lieben. [/size][/center]

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[center] [font=courier new][size=6]Seele (8)[/size] [size=3]Das ist die Formel; sie gilt für jeden: Monismus und Dualismus lösen wie Licht und Schatten, wie Phasen des Herzschlags einander ab. Erst mit der Vielzahl wird es kompliziert. Was finde ich denn, wenn ich zu meinem Seelchen hinabschleiche? Ein schäbiges, oft geflicktes Netz, das einen Fang von Tiefseetieren zusammenpreßt. Ein Eingeweide von Aalen und Schlangen, Haien, Kraken, Krebsen und Würmern aller Art. Da ist Ägisth, der Klytämnestra auf das Prunkbett wirft. »Das Blut der Könige ist fahl purpurfleckig.« — Ich besteige die Königin auf dem Lager, das für den Atriden gerüstet war. Er liegt im Bad, ermordet — nie war ihre Hingabe tiefer, bedingungsloser als eben jetzt, da die Tür noch offen steht. Dort ist auch Atreus, sind, neben römischen Konsuln und Caesaren, milde Gestalten — Johannes der Täufer, Johannes am Strand von Patmos, Johannes, dem der Meister den Arm um die Schulter legt. Vielleicht sind es nicht einmal Tiere der Tiefe, sondern nur ihre Larven und Embryonen, die absterben, wenn sie in Schichten aufsteigen, die das Licht durchdringt. Sie werden in nächtlichen Seancen von der Psyche zitiert und freigelassen zur Selbstbefriedigung. Dort reiben sie sich auf.[/size] [size=4] [i]- Aus: Ernst Jünger, Die Zwille. Stuttgart 1973 [/size][/i] [/center]

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[center][font=courier new] [size=3][i]"Einem Menschen seinen Schatten gegenüberstellen heisst, ihm auch sein Licht zu zeigen." "Ganzsein heisst zugleich: voller Widersprüche sein."[/size][/i] [size=6]Anima und Animus[/size] [size=3] Was uns fehlt, was wir suchen, was rätselhaft und dadurch faszinierend ist, das ist immer ein Anderer, eine Andere, ein zuerst Fremder, das Gegenstück oder die fehlende Ergänzung: mein Animus oder meine Anima. Manchmal erschreckend, weil er die tiefsten, oft genug verdrängten Bereiche unserer Seele anspricht - manchmal sehr hilfreich und zwingend nötig, weil er uns endlich Antwort auf offene Fragen geben kann. Im Märchen wird die Suche nach der Anima, bzw. dem Animus in allen Geschichten von verzauberten Prinzessinnen oder Prinzen erzählt. So ist der 'Froschkönig' ebenso der Animus einer selbstgefälligen, gelangweilten Prinzessin, wie es Falke und Bär bei 'Schneeweisschen und Rosenrot' oder der hässliche Unhold im 'Singenden, klingenden Bäumchen' sind. Nur unter vielen Mühen, verzweifelten Phasen und erst nach sehr langer Zeit kann der verwunschene Prinz von einer geläuterten Prinzessin (o.ä.) erlöst werden. Auch in 'Die Schöne und das Biest' wird die selbstlose Hingabe und Geduld einer schönen Frau an ein schreckliches Wesen mit dessen Erlösung und ihrer beider Glück belohnt. Eine Anima ist dagegen z.B. in 'Dornröschen', im 'Schneewittchen', im 'Aschenputtel' oder im 'Rapunzel' versteckt. Hier gilt umgekehrt dasselbe: der eitle, hauptsächlich an Kämpfen oder sinnlosem Zeitvertreib interessierte Prinz muss sich auf den Weg - seinen Reife- und Wachstumsweg - machen, um die verzauberte Prinzessin und damit auch sich selbst zu befreien. Es kommt also nur darauf an und hängt gleichzeitig davon ab, dass zumindest einer noch viel an sich arbeiten muss - egal ob es der verzauberte Prinz ist, der Schuld auf sich geladen hat und deswegen in einem 'falschen', unpassenden Kleid, Körper, bzw. Charakter gefangen ist und erlöst werden muss oder ob es die eingebildete Prinzessin ist, die zwangsweise einen Reifeprozess durchmacht und mit Hilfe ihrer wachsenden Liebe zu einem 'unmöglichen' Partner sich selbst findet und dadurch aufgeschlossen wird für eine andere Seele - ihre Dualseele. Dann erst kann das Märchen 'wahr' werden und seine Symbolkraft für andere entwickeln. So finden auch im Realen viele Menschen ihre Dualseele, ihren Animus oder ihre Anima oft genug nicht unter 'Ihresgleichen', sondern entweder in einem weit entfernten Land, in einer anderen Gesellschaftsschicht oder unter verbotenen, gefährlichen Umständen. Das langwierige, hartnäckige Durchhalten gegen alle Unterschiede und Widerstände auf dem Weg zur Zweisamkeit ist dann aber meistens ein besserer Garant für eine dauerhafte Bindung als ein schnelles Feuer für jemand besonders gut Passenden. Es ist das ewige Problem in Beziehungen, dass wir eigentlich uns selbst suchen und sehr schnell sehr einnehmend auf eine jeweils neue Liebe eingehen, weil der andere uns anscheinend so ähnlich ist, so eigenartig vertraut, so ganz und gar verstehend. Wir lassen uns faszinieren, wir identifizieren uns total - um dann nach einer gewissen Zeit zu merken: das ist ja ein Fremder, ein völlig von uns Verschiedener und überhaupt nicht passend. Denn - sucht man einen Menschen, mit dem man in jeder Hinsicht übereinstimmt, der alles versteht und in jeder Lebenslage immer zu einem selbst stehen kann - dann gibt es dafür nur eine oder einen: sich selbst. Einen anderen aber um seiner selbst willen zu lieben, das ist ein riesiger Unterschied. Sobald wir in der Lage sind, die Unterschiede (!) zwischeneinander zu lieben, heben wir die Schatten auf und betreten ein neues Paradies.[/size] [/center]

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[center][font=courier new][size=6]"Ich bin das Licht"[/size] [size=5]Die kleine Seele spricht mit Gott![/size] [size=4](von Neale Donald Walsch)[/size] [size=3] Einmal, vor zeitloser Zeit, da war eine kleine Seele, die sagte zu Gott: "Ich weiß, wer ich bin!" Und Gott antwortete: "Oh, das ist ja wunderbar! Wer bist du denn?" Die kleine Seele rief: "Ich bin das Licht!" Und auf Gottes Gesicht erstrahlte das schönste Lächeln. "Du hast recht", bestätigte er, "du bist das Licht!" Da war die kleine Seele überglücklich, denn sie hatte genau das entdeckt, was alle Seelen im Himmelreich herausfinden wollen. "Hey", sagte die kleine Seele, "das ist ja Klasse!" Doch bald genügte es der kleinen Seele nicht mehr, zu wissen, wer sie war. Sie wurde unruhig, ganz tief drinnen, und wollte nun sein, wer sie war. So ging sie wieder zu Gott. Es ist übrigens keine schlechte Idee, sich an Gott zu wenden, wenn man das sein möchte, was man eigentlich ist. Sie sagte: "Hallo Gott! Nun, da ich weiß, wer ich bin, könnte ich es nicht auch sein?" Und Gott antwortete der kleinen Seele: "Du meinst, dass du sein willst, was du schon längst bist?" "Also", sprach die kleine Seele, "es ist schon ein Unterschied, ob ich nur weiß, wer ich bin, oder ob ich es auch wirklich bin. Ich möchte fühlen, wie es ist, das Licht zu sein!" "Aber du bist doch das Licht", wiederholte Gott, und er lächelte wieder. Doch die kleine Seele jammerte: "Ja, aber ich möchte doch wissen, wie es sich anfühlt, das Licht zu sein!" Gott schmunzelte: "Nun, das hätte ich mir denken können. Du warst schon immer recht abenteuerlustig. Es gibt da nur eine Sache ...", und Gottes Gesicht wurde ernst. "Was denn?" fragte die kleine Seele. "Nun. Es gibt nichts anderes als Licht. Weißt du, ich habe nichts anderes erschaffen als das, was du bist. Und deshalb wird es nicht so einfach für dich, zu werden, wer du bist. Denn es gibt nichts, das nicht so ist wie du." "Wie?" fragte die kleine Seele und war ziemlich verwirrt. "Stell es dir so vor", begann Gott, "du bist wie der Schein einer Kerze in der Sonne. Das ist auch richtig so. Und neben dir gibt es noch viele Millionen Kerzen, die gemeinsam die Sonne bilden. Doch die Sonne wäre nicht die Sonne, wenn du fehlen würdest. Schon mit einer Kerze weniger wäre die Sonne nicht mehr die Sonne, denn sie könnte nicht mehr ganz so hell strahlen. Die große Frage ist also: Wie kannst du herausfinden, dass du Licht bist, wenn du überall von Licht umgeben bist?" Da sagte die kleine Seele frech: "Du bist doch Gott! Überlege dir halt etwas!" "Du hast recht!" sagte Gott und lächelte wieder. "Und mir ist auch schon etwas eingefallen. Da du Licht bist und dich nicht erkennen kannst, wenn du nur von Licht umgeben bist, werden wir dich einfach mit Dunkelheit umhüllen." "Was ist den Dunkelheit?" fragte die kleine Seele. Gott antwortete: "Die Dunkelheit ist das, was du nicht bist." "Werde ich Angst davor haben?" rief die kleine Seele. "Nur, wenn du Angst haben willst", antwortete Gott. "Es gibt überhaupt nichts, wovor du dich fürchten müsstest, es sei denn, du willst dich fürchten. Weißt du, die ganze Angst denken wir uns nur selbst aus." "Oh!", die kleine Seele nickte verständig und fühlte sich gleich wieder besser. Dann erklärte Gott, dass oft erst das Gegenteil von dem erscheinen müsse, was man erfahren wolle. "Das ist ein großes Geschenk", sagte Gott, "denn ohne das Gegenteil könntest du nie erfahren, wie etwas wirklich ist. Du würdest Wärme nicht ohne Kälte erkennen, oben nicht ohne unten, schnell nicht ohne langsam. Du könntest rechts nicht ohne links erkennen, hier nicht ohne dort und jetzt nicht ohne später. Und wenn du von Dunkelheit umgeben bist", schloss Gott ab, "dann balle nicht deine Faust, und erhebe nicht deine Stimme, um die Dunkelheit zu verwünschen. Sei lieber ein Licht in der Dunkelheit, statt dich über sie zu ärgern. Dann wirst du wirklich wissen, wer du bist, und alle anderen werden es auch wissen. Lass dein Licht scheinen, damit die anderen sehen können, dass du etwas Besonderes bist." "Meinst du wirklich, es ist in Ordnung, wenn die anderen sehen können, dass ich etwas Besonderes bin?" "Natürlich!" Gott lächelte. "Es ist sogar sehr in Ordnung. Doch denke immer daran: etwas Besonderes zu sein heißt nicht, 'besser' zu sein. Jeder ist etwas Besonderes, jeder auf seine Weise. Doch die meisten haben das vergessen. Erst wenn sie merken, dass es für dich in Ordnung ist, etwas Besonderes zu sein, werden sie begreifen, dass es auch für sie in Ordnung ist." "Hey!" rief die kleine Seele und tanzte, hüpfte und lachte voller Freude. "Ich kann also so besonders sein, wie ich will!" "Ja, und du kannst auch sofort damit anfangen", sagte Gott, und tanzte, hüpfte und lachte mit der kleinen Seele. "Wie möchtest du denn besonders gerne sein?" "Was meinst du mit wie?" fragte die kleine Seele. "Das verstehe ich nicht...!" "Nun, das Licht zu sein bedeutet, etwas Besonderes zu sein. Und das kann sehr viel bedeuten. Es ist etwas Besonderes, freundlich zu sein. Es ist etwas Besonderes, sanft zu sein. Es ist etwas Besonderes, schöpferisch zu sein. Es ist etwas Besonderes, geduldig zu sein. Fallen dir noch andere Dinge ein, mit denen man etwas Besonderes sein kann?" Die kleine Seele saß einen Moment lang ganz still da. Dann rief sie: "Ja, ich weiß eine ganze Menge anderer Dinge, mit denen man etwas Besonderes sein kann! Es ist etwas Besonderes hilfreich zu sein. Es ist etwas Besonderes, rücksichtsvoll zu sein, und es ist etwas Besonderes, miteinander zu teilen!" "Ja", stimmte Gott zu, "und all das kannst du jederzeit auf einmal sein - oder auch nur ein Teil davon. Dies ist die wahre Bedeutung davon, Licht zu sein." "Ich weis, was ich sein will! Ich weiß, was ich sein will!" rief die kleine Seele ganz aufgeregt Ich möchte der Teil des Besonderen sein, den man .Vergebung' nennt. Ist zu vergeben nicht etwas Besonderes?" "Oh ja!" versicherte Gott der kleinen Seele. "Dies ist etwas ganz Besonderes!" "In Ordnung!" sagte die kleine Seele. Das ist es, was ich sein will. Ich möchte Vergebung sein. Ich möchte mich selbst als genau das erfahren." "Gut", sagte Gott, "doch da gibt es noch eine Sache, die du wissen solltest." Die kleine Seele wurde langsam etwas ungeduldig. Immer schien es irgendwelche Schwierigkeiten zu geben. "Was denn noch?" stöhnte sie. "Es gibt keinen, dem du vergeben müsstest." "Keinen?" Die kleine Seele konnte kaum glauben, was Gott da sagte. "Keinen!" wiederholte Gott. "Alles, was ich erschaffen habe, ist vollkommen. Es gibt in meiner ganzen Schöpfung keine einzige Seele, die weniger vollkommen wäre als du. Schau dich doch mal um." Da sah die kleine Seele, dass viele andere Seelen sich um sie herum versammelt hatten. Sie waren von überall her aus dem Himmelreich gekommen. Es hatte sich nämlich herumgesprochen, dass die kleine Seele eine ganz besondere Unterhaltung mit Gott führte, und jede Seele wollte hören, worüber die beiden sprachen. Als die kleine Seele die unzähligen anderen Seelen betrachtete, musste sie zugeben, dass Gott Recht hatte. Keine von ihnen war weniger schön, weniger strahlend oder weniger vollkommen als sie selbst. Die anderen Seelen waren so wundervoll, ihr Licht strahlte so hell, dass die kleine Seele kaum hinsehen konnte. "Wem willst du nun vergeben?" fragte Gott. "Au weia, das wird aber wenig Spaß machen!" brummte die kleine Seele vor sich hin. "Ich möchte mich selbst als jemand erfahren, der vergibt. Ich hätte so gerne gewusst, wie man sich mit diesem Teil des Besonderen fühlt." Und so lernte die kleine Seele, wie es sich anfühlt, traurig zu sein. Doch da trat eine freundliche Seele aus der großen Menge hervor. Sie sagte: "Sei nicht traurig, kleine Seele, ich will dir helfen." "Wirklich?" rief die kleine Seele. "Doch was kannst du für mich tun?" "Ich kann dir jemand bringen, dem du vergeben kannst!" "Oh wirklich?" "Ja, ganz bestimmt", kicherte die freundliche Seele. "Ich kann in dein nächstes Erdenleben kommen und dir etwas antun, damit du mir vergeben kannst." "Aber warum willst du das für mich tun?" fragte die kleine Seele. "Du bist doch ein vollkommenes Wesen! Deine Schwingungen sind so hoch, und dein Licht leuchtet so hell, dass ich dich kaum anschauen kann! Was bringt dich bloß dazu, deine Schwingungen so zu verringern, dass dein Licht dunkel und dicht wird? Du bist so licht, dass du auf den Sternen tanzen und in Gedankenschnelle durch das Himmelreich sausen kannst. Warum solltest du dich so schwer machen, um mir in meinem nächsten Leben etwas Böses antun zu können?" "Ganz einfach!" sagte die freundliche Seele. "Weil ich dich lieb habe!" Diese Antwort überraschte die kleine Seele. "Du brauchst nicht erstaunt zu sein", sagte die freundliche Seele. "Du hast dasselbe auch für mich getan. Weißt du es nicht mehr? Wir haben schon so oft miteinander getanzt. Ja, du und ich! Wir haben durch Äonen und alle Zeitalter hindurch und an vielen Orten miteinander gespielt. Du hast es nur vergessen. Wir beide sind schon alles gewesen. Wir waren schon oben und waren unten, wir waren schon rechts und waren links. Wir waren hier und waren dort, wir waren im Jetzt und waren im Später. Wir waren schon Mann und waren Frau, wir waren gut und waren schlecht - beide waren wir schon das Opfer, und beide waren wir der Schurke. So kommen wir immer wieder zusammen und helfen uns immer wieder, das auszudrücken, was wir wirklich sind. Und deshalb", erklärte die freundliche Seele weiter, "werde ich in dein nächstes Erdenleben kommen und der Bösewicht sein. Ich werde dir etwas Schreckliches antun, und dann kannst du dich als jemand erfahren, der vergibt." "Aber was wirst du tun?" fragte die kleine Seele, nun doch etwas beunruhigt. "Was wird denn so schrecklich sein?" "Oh", sagte die freundliche Seele mit einem Lächeln, "uns wird schon was einfallen!" Dann wurde die freundliche Seele sehr ernst und sagte mit leiser Stimme: "Weißt du, mit einer Sache hast du vollkommen recht gehabt." "Mit was denn", wollte die kleine Seele wissen. "Ich muss meine Schwingung sehr weit herunterfahren und sehr schwer werden, um diese schreckliche Sache tun zu können. Ich muss so tun, als ob ich jemand wäre, der ich gar nicht bin. Und dafür muss ich dich um einen Gefallen bitten." "Du kannst dir wünschen, was du willst!" rief die kleine Seele, sprang umher und sang: "Hurra, ich werde vergeben können! Ich werde vergeben können!" Da bemerkte die kleine Seele, dass die freundliche Seele sehr still geworden war. "Was ist? Was kann ich für dich tun?" fragte die kleine Seele. "Du bist wirklich ein Engel, wenn du diese schreckliche Sache für mich tun willst!" Da unterbrach Gott die Unterhaltung der beiden Seelen: "Natürlich ist diese freundliche Seele ein Engel! Jedes Wesen ist ein Engel! Denke immer daran: Ich habe dir immer nur Engel geschickt!" Die kleine Seele wollte doch so gern den Wunsch der freundlichen Seele erfüllen und fragte nochmals: "Sag schon was kann ich für dich tun?" Die freundliche Seele antwortete: "In dem Moment, in dem wir aufeinander treffen und ich dir das Schreckliche antue - in jenem Moment, in dem ich das Schlimmste tue, was du dir vorstellen kannst-, also in diesem Moment..." "Ja?" sagte die kleine Seele, ja...?" Die freundliche Seele wurde noch stiller. "...denke daran, wer ich wirklich bin!" "Oh, das werde ich bestimmt!" rief die kleine Seele. "Das verspreche ich dir! Ich werde mich immer so an dich erinnern, wie ich dich jetzt hier sehe!" "Gut!" sagte die freundliche Seele. "Weißt du, ich werde mich so verstellen müssen, dass ich mich selbst vergessen werde. Und wenn du dich nicht erinnerst, wie ich wirklich bin, dann werde ich mich selbst für eine sehr lange Zeit auch nicht daran erinnern können. Wenn ich vergesse, wer ich bin, dann kann es passieren, dass auch du vergisst, wer du bist. Und dann sind wir beide verloren. Dann brauchen wir eine weitere Seele, die in unser Leben kommt und uns daran erinnert, wer wir wirklich sind." Doch die kleine Seele versprach noch einmal: "Nein, wir werden nicht vergessen, wer wir sind! Ich werde mich an dich erinnern! Und ich werde dir sehr dankbar dafür sein, dass du mir dieses große Geschenk machst - das Geschenk, dass ich erfahren darf, wer ich wirklich bin." Und so schlossen die beiden Seelen ihre Vereinbarung. Die kleine Seele begab sich in ein neues Erdenleben. Sie war ganz begeistert, dass sie das Licht war, das so besonders ist, und sie war so aufgeregt, dass sie jener Teil des Besonderen sein durfte, der "Vergebung" heißt. Sie wartete begierig darauf, sich selbst als Vergebung erfahren zu können und der anderen Seele dafür danken zu dürfen, dass sie diese Erfahrung möglich gemacht hat. Und in jedem Augenblick dieses neuen Erdenlebens, wann immer eine neue Seele auftauchte, ob sie nun Freude oder Traurigkeit brachte - natürlich besonders wenn sie Traurigkeit brachte, fiel der kleinen Seele ein, was Gott ihr einst mit auf den Weg gegeben hatte: "Denke stets daran", hatte Gott mit einem Lächeln gesagt, "ich habe dir immer nur Engel geschickt!" ---[/size] [size=4] [i]Gebundene Ausgabe - Edition Sternenprinz, ISBN 3929475898[/size][/i] [/center]

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